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Die Lennox-Falle - Roman

Die Lennox-Falle - Roman

Titel: Die Lennox-Falle - Roman
Autoren: Heyne
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Flüsterton sprach; seine wahre Identität war eines der bestgehüteten Geheimnisse der Bewegung. Jodelle behauptete nun, er habe erfahren, wer dieser Mann sei und daß eben dieser Mann in Wirklichkeit kein großer Held, sondern vielmehr ein Verräter sei.«
    »Und wer war er?« bohrte Jean-Pierre.

    »Das hat er uns nie gesagt. Er sagte lediglich, der Mann sei ein General in unserer Armee und davon gab es Dutzende. Er sagte, wenn er recht habe, und einer von uns den Namen des Mannes verlauten ließe, würden wir von den Deutschen erschossen werden. Wenn er Unrecht hätte und jemand in diffamierender Weise von ihm redete, dann würde es heißen, unser Flügel sei nicht stabil, und man würde uns nicht mehr vertrauen.«
    »Und was wollte er dann tun?«
    »Falls es ihm gelingen sollte, seinen Verdacht eindeutig zu beweisen, würde er den Mann selbst beseitigen. Er schwor, daß er dazu in der Lage sei. Wir nahmen an - und ich glaube bis zum heutigen Tage, zu recht - daß der Verräter, wer auch immer er war, irgendwie von Jodelles Verdacht erfuhr, und Anweisung gab, ihn und seine Familie hinzurichten.«
    »Und das war alles? Sonst nichts?«
    »Du mußt versuchen, die damaligen Umstände und die Zeit, in der das damals geschah, zu verstehen, mein Sohn«, sagte Catherine Villier. »Ein falsches Wort, ja sogar ein feindseliger Blick oder eine Geste, konnten zur sofortigen Festnahme führen und zur Folge haben, daß man ins Gefängnis gesteckt oder deportiert wurde. Die Besatzungsstreitkräfte, ganz besonders die ehrgeizigen subalternen Offiziere, hegten geradezu fanatischen Argwohn gegenüber allem und jedem. Jede neue Aktion der Résistance schürte ihre Wut. Es war niemand sicher. Eine Hölle, wie sie nicht einmal Kafka hätte erfinden können.«
    »Und ihr habt ihn bis heute abend nie wieder zu Gesicht bekommen?«
    »Wenn wir ihn gesehen hätten, hätten wir ihn nicht erkannt«, erwiderte Villier père . »Ich hatte Mühe, seine Leiche zu identifizieren.«
    »Vielleicht war er es gar nicht. Ist das möglich, Vater?«
    »Nein, es war Jodelle. Seine Augen waren im Tod geweitet und immer noch so blau, so strahlend blau wie ein wolkenloser Himmel am Mittelmeer - wie die deinen, Jean-Pierre.«
    »Jean-Pierre …?« wiederholte der Schauspieler leise. »Ihr habt mir seinen Namen gegeben?«
    »Es war auch der Name deines Bruders«, korrigierte ihn die Schauspielerin mit leiser Stimme. »Das arme Kind brauchte ihn
nicht mehr, und wir dachten, daß du ihn Jodelle zu Ehren tragen solltest.«
    »Das war sehr fürsorglich von euch -«
    »Wir wußten, daß wir dir die wahren Eltern nie würden ersetzen können«, fuhr die Schauspielerin schnell, beinahe bittend fort, »aber wir haben uns die größte Mühe gegeben, mein Liebling. In unserem gemeinsamen Testament haben wir alles festgehalten, was geschehen ist. Aber bis heute abend hatten wir beide nicht den Mut, es dir zu sagen. Wir lieben dich so.«
    »Hör um Gottes willen auf, Mutter. Sonst fange ich zu heulen an. Wer auf dieser Welt könnte sich bessere Eltern als euch beide wünschen? Ich werde nie wissen, was ich nicht wissen kann, aber ihr seid für alle Zeit mein Vater und meine Mutter, und das wißt ihr.«
    Das Telefon klingelte und ließ sie alle zusammenzucken. »Die Presse hat doch diese Nummer nicht?« fragte Julian.
    »Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte Jean-Pierre und drehte sich zu dem Telefon auf dem Garderobentisch herum. »Nur ihr habt sie, Giselle und mein Agent. Nicht einmal mein Anwalt oder, da sei Gott vor, die Besitzer des Theaters … Ja?« sagte er in gutturalem Ton.
    »Jean-Pierre?« tönte die Stimme seiner Frau Giselle aus dem Hörer.
    »Natürlich, meine Liebe.«
    »Ich war nicht sicher -«
    »Ich auch nicht, deshalb habe ich meine Stimme verstellt. Mutter und Vater sind hier, und ich komme nach Hause, sobald die Journalisten die Belagerung hier aufgegeben haben.«
    »Ich denke, du solltest möglichst bald nach Hause kommen.«
    »Was?«
    »Hier ist ein Mann, der dich sprechen will -«
    »Um diese Zeit? Wer ist es denn?«
    »Ein Amerikaner, und er sagt, er muß dich sprechen. Es ist wegen heute abend.«
    »Heute abend … hier im Theater?«
    »Ja, Liebster.«
    »Du hättest ihn vielleicht gar nicht hereinlassen sollen, Giselle.«
    »Ich fürchte, ich hatte da keine Wahl. Er ist mit Henri Bressard gekommen.«
    »Henri? Was hat das, was heute abend geschehen ist, mit dem Quai d’Orsay zu tun?«
    »Unser lieber Freund Henri sitzt mir gegenüber und
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