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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat
Autoren: Kathryn Lasky
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als Rußeule und obendrein als Waise bei den Reinen nichts zu melden hatte. Zwar enthielt auch sein Artenname die Bezeichnung Tyto , doch das interessierte offenbar niemanden. Man wies ihm die Arbeiten zu, die sonst keiner übernehmen mochte, und ließ ihm nicht einmal seinen richtigen Namen, der viel vornehmer geklungen hatte als der verhasste Schimpfname „Schmuddel“. Bei den Reinen bekamen alle Rußeulen solche hässlichen Namen: „Aschenschnabel“ und „Schlammflügel“ waren zwei andere Beispiele. Eine Flecken-Rußeule namens „Dreckbatzen“ saß gerade wegen Feigheit vor dem Feind im Gefängnis. Nein, eine Rußeule zu sein, war kein erstrebenswertes Schicksal. Es ist einfach ungerecht , dachte Schmuddel wohl zum tausendsten Mal.
    Erst als Kludds Sohn geschlüpft war, hatte sich das Blatt für Schmuddel gewendet. Es grenzte an ein Wunder, aber man hatte ihn zum persönlichen Betreuer des Kükens ernannt. Seit jener bedeutungsvollen Mondfinsternis war Schmuddel in der Hierarchie aufgestiegen. Er begleitete Nyroc zu jeder Feier, und inzwischen waren er und der Kleine richtig gute Freunde.
    Darum bekam Schmuddel angesichts von Nyrocs Flugtalent auch keine Minderwertigkeitskomplexe, sondern jubelte seinem Schützling aus voller Kehle zu. Er selbst würde natürlich niemals eine Flugprüfung ablegen und in den Offiziersrang erhoben, das war ihm klar. Aus ihm würde auch nie ein Kundschafter oder ein Feuerkrallen-Flieger. Ihm würde niemals ein Waffenschmied ein Paar Kampfkrallen anpassen. Doch das machte ihm inzwischen nichts mehr aus. Sein bester Freund Nyroc war der künftige Anführer der Reinen und würde einmal den schreckenerregendsten Titel der ganzen Eulenheit tragen – Hoher Tyto!

„Wie bitte?“, kreischte Nyra schrill.
    Auweia! , dachte Nyroc.
    „Du fragst mich allen Ernstes, weshalb der Flecken-Rußeulerich im Gefängnis sitzt?“
    „Verzeih mir, Oberste Mutter. Ich … ich … ich dachte nur …“
    „Du hast nicht zu denken! Wenn ich sage, dass jemand ein Feigling ist, dann ist er einer, basta! Dieser Dreckbatzen ist ein Feigling der schlimmsten Sorte – und außerdem hat er gegen die Pronk-Vorschrift verstoßen.“
    „Du meinst, er hat über den Großen Ga’Hoole-Baum gesprochen?“
    Nyra zuckte angewidert zusammen, als Nyroc das verhasste Wort aussprach. „Allerdings, das hat er“, fauchte sie giftig.
    „Ach so. Das ist natürlich schlimm.“
    Nyroc war damit aufgewachsen, dass es verboten war, über den Großen Baum zu sprechen. Das hatte ihm seine Mutter so oft eingeschärft, dass Nyroc von ganz allein die Ohrschlitze auf Durchzug stellte, wenn das Wort „Ga’Hoole“ fiel.
    Nyroc musste die Strafpredigt seiner Mutter nur wenige Minuten nach seiner Erster-Flug -Feier über sich ergehen lassen. Mutter und Sohn saßen wieder in ihrer Schlafhöhle hoch oben in einer schroffen Felswand. Nyroc ärgerte sich, dass er seine Mutter überhaupt nach Dreckbatzen gefragt hatte. Er hätte sich denken können, dass Nyra die Frage als Kritik auffassen würde, und Kritik vertrug sie nicht.
    Nyroc war erst zwei Monate alt, aber er hatte schon begriffen, dass seine Mutter unberechenbar war. Gerade noch überschüttete sie ihn mit Lob, im nächsten Augenblick hagelte es Beschimpfungen. Schmuddel hatte es ihm schon oft erklärt: „Das tut sie nur, weil sie dich so lieb hat, Nyroc. Du erinnerst sie an deinen Papa und das ist schmerzlich für sie. Sie setzt große Erwartungen in dich und … nun ja … da geht es eben manchmal mit ihr durch.“
    „Wie meinst du das?“, hatte Nyroc gefragt. Schmuddel war der Ältere und wusste viel mehr als er.
    „Dass sie wahrscheinlich manchmal unglücklich ist. Aber sie ist ganz bestimmt sehr stolz auf dich.“
    Es gelang Schmuddel immer, Nyroc zu trösten. Nyroc hätte nicht gewusst, wie er ohne seinen Freund zurechtgekommen wäre. Auf jeden Fall wäre er einsam gewesen, denn die anderen Jungvögel konnten ihn anscheinend nicht leiden. In letzter Zeit schlossen sich wieder mehr junge Eulen dem Tytonenbund an und ließen sich zu Kriegern ausbilden. Dass sie mit ihm nichts zu tun haben wollten, störte Nyroc nicht besonders. Er wollte einfach nur ein Reiner ohne Fehl und Tadel werden, so wie sein Vater einer gewesen war. Nyra hatte ihm so viele Geschichten über seinen tapferen, kühnen Papa erzählt, dass es Nyroc vorkam, als hätte er ihn gekannt. Sein großes Ziel war es, ein genauso bedeutender Heerführer zu werden wie Kludd. Das war seine
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