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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Autoren: Ute R. Albrecht
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er immer noch herum lungert, nach all den Monaten.
    Ich fahre nicht sofort nach Hause, erst, als ich mich vollends beruhigt habe. Ich bin nicht mehr alleine. Ich mache Therapie und habe einen lieben Freund. Ich liebe und werde geliebt.
    Nachdem ich Elena am Telefon von dem Vorfall erzählt habe, geht es mir besser. Als Lukas anruft, erzähle ich es ihm auch. Wieso denn nicht? Wofür soll ich mich schämen? Die erlebten Grausamkeiten waren genug. Wenn ich in der Gegenwart Angst habe, sind Menschen da, die mir zuhören, wenn ich den Mut aufbringe, mich ihnen mitzuteilen.
    Lukas reagiert so lieb. Er bietet mir an, bei Konrad anzurufen und ihm die Meinung zu sagen. Zwar schaffe ich das alles auch alleine, aber es tut so unsagbar gut, es nicht mehr zu sein.
    Ist das wirklich alles wahr? Ich bin so unendlich dankbar für diese Liebe.
     
    In der nächsten Therapiestunde bringe ich mein kürzlich gemaltes Bild mit. Es drückt meine ganze Vergangenheit gegliedert in einzelne Szenen aus. Es zeigt die ganze Wucht des erlebten Elends.
    Valentina ist geschockt, mundtot, ringt nach Worten. So habe ich sie noch nie gesehen.
    Nach einigen Minuten spricht sie eine dargestellte Szene an. Bestrafungen im dunklen Gewölbekeller. Sie sagt, das sei eine rituelle Folter, was da mit mir gemacht wurde. Sie sei immer über meinen starken Kern fasziniert, der mich am Leben erhalten hat.
    Ich glaube, sie ist froh, als ich das Bild wieder verhülle. Zu heftig, zu deutlich, zu intensiv. Aber es entspricht meiner inneren Wahrheit, meinem Erleben, meinen Gefühlen, Ängsten, Hoffungen und meinem Schmerz. Dafür mussten einige Leinwände herhalten. Es ist schwer gewesen, das ganze Geschehen und die dazugehörigen Empfindungen genauestens zum Ausdruck zu bringen.
    Dieses Bild ist perfekt.
    Allerdings nur für mich. Aber was soll’s.
    Kunst ist auch, das auszudrücken, was in einem steckt. Nicht das, was der Betrachter nett und hübsch finden könnte.
    Kunst als Ausdruck gewaltiger Gefühle. Ein blanker Trigger, heftig, zu klar, zu deutlich, zu intensiv. Das reißt den Vorhang weg und macht sichtbar, wofür die Worte fehlen. Zeigt, was im Verborgenen verdrängt und abgespalten liegt. Reißt es unbarmherzig ans Tageslicht. Seht alle her, das ist meine Wahrheit.
    Ich zeige sie euch und spiegle euren Schmerz wider. Euer sorgsam Verdrängtes mache ich mit meinem Mut zur Offenheit qualvoll bewusst. Das ist das, was kaum einer aushält.
    Lukas scheint den Schmerz zu kennen, er hat keine Angst davor. Eine andere Antwort gibt es nicht. Nur wer die Hölle kennt, kann die Angst loslassen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
    Ich brauche keinen mehr, der meine Bilder gut findet. Für mich muss es gut sein, das treffen, was ich damit zum Ausdruck bringen will. Und dieses Bild trifft es perfekt.
    Kein nettes Bildchen für das gemütliche Wohnzimmer, sondern der vollkommene Ausdruck dessen, wie die kleine Selina gefühlt und gelitten hat.
    Alles eine Frage der Interpretation.
     
    Lukas sitzt aufgewühlt in meinem Sessel auf dem Balkon und raucht. Seine Frau hätte ihn besucht und das erste Mal das Wort Scheidung erwähnt. Mir ist klar, dass er Angst vor einem Konflikt hat.
    Ich sage nichts und lasse ihn reden. Allerdings zweifle ich abermals daran, dass er nun endlich mit seiner Vergangenheit abschließt.
    Lange diskutieren wir die Situation. Meine Zweifel spreche ich auch an. Auf einmal wird er ruhig und ernst. Er hätte längst ein neues Leben mit mir angefangen und das gibt ihm jetzt Kraft, das alte zu Ende zu bringen.
    Ich habe nachgedacht und beschlossen, dass ich ihm vertrauen möchte. Dazu gehört, dass ich seine Handlungen und Entscheidungen bezüglich seiner Exfrau nicht mehr anzweifeln werde. Es ist sein Job, diese Situation zu klären.
    Das Foto auf dem Nachttisch ist ja längst verschwunden. Ihm scheint es auch sonst sehr wichtig mit uns zu sein. Er hat inzwischen seine Konten geklärt, einen überfälligen Banktermin wahrgenommen und einen Termin bei einem Scheidungsanwalt vereinbart.
    Ich habe nicht damit gerechnet, dass er auf einmal so schnell handelt. Zwar jammert er oft über das verlorene Geld, doch das wird sich irgendwann hoffentlich legen.
     
    Im Moment kann ich dieses unfassbare Glücksgeschenk genießen, das ich da bekommen habe. Im Überschwang meiner Gefühle male ich unzählige Bilder. Widerwillig unterbreche ich meine Schaffensphase, um mir neue Leinwände und Farben zu besorgen. Meine kleine Küche dient wieder mal als Atelier.
    Die
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