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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Autoren: Charlotte Thomas
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Haut an den Schmerz erinnern, und dabei war das nur eine Katzenkralle gewesen. Er versuchte sich vorzustellen, um wie viel schlimmer es wäre, wenn Messer oder Hackbeil in den Körper drangen, so wie es hier in diesem Gebäude den ertappten Dieben jede Woche geschah.
    Der in seinen Ausmaßen gigantische Bau diente nicht nur dem Dogen als Wohnstätte, sondern war außerdem Regierungssitz und Gefängnis in einem, ein Gegensatz, der Antonio schon deswegen komisch vorkam, weil man sich bei all der Pracht hier drin nicht vorstellen konnte, dass es eine Treppe tiefer lauter stinkende Verliese gab. Dass beides sehr gut unter einem Dach miteinander vereinbar war, hätte man für ein böswilliges Gerücht halten können – wenn Antonio es nicht besser gewusst hätte. Davon abgesehen wiesen einige der Zellen direkt auf die Mole hinaus, man konnte von draußen sogar mit den Insassen sprechen und sich von ihnen schildern lassen, wie sie unter der Folter gelitten hatten.
    Antonio stemmte die Kiste in eine für seine Schulter bequemere Lage und verdrängte entschlossen alle Gedanken an den Kerker und blutige Körperstrafen. Er folgte dem Zehnerrat die große Treppe hinauf und machte sich im Stillen über Mosè lustig, der hinter ihm schnaufte wie ein durchlöcherter Blasebalg.
    Antonio dachte nicht länger darüber nach, wie prachtvoll das Innere des Palastes ausgestaltet war, und er ignorierte auch die in Roben gewandeten Würdenträger, die seinen Weg kreuzten. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Kiste und den Kaufmann. Und den Zehnerrat, der hin und wieder flüchtig über die Schulter zurückschaute, als wolle er sich davon überzeugen, dass sie ihm noch folgten.
    Querini war ein großer, schlanker Mann Ende der vierzig, mit ergrauendem Haar und bemerkenswerten Augen von stechender Bläue. Er sah auf asketische Weise gut aus, mit dem scharfen Nasenrücken und den tiefen Kerben zu beiden Seiten des Mundes.
    Antonio und Mosè folgten ihm in ein schmales Amtszimmer. Die Einrichtung war nüchtern; sie bestand aus einem erhöht stehenden Schreibpult, einem Tisch mit ausgebreiteten Papierrollen und einem umlaufenden Wandbord, auf dem weitere Stapel von Papier lagen. Dieser Raum war nicht zum Repräsentieren, sondern zum Arbeiten gedacht. An der Stirnseite stand ein Fenster mit Blick auf die Riva degli Schiavoni offen, und Antonio konnte sehen, wie Männer den Leichnam des Sklaven vom Kai schleiften.
    Querini räumte die Papierrollen vom Tisch. »Stell die Kiste hierher, Junge.«
    Antonio gehorchte und trat anschließend einige Schritte zur Seite.
    Seine Kehle brannte vor Durst; der Fisch, von dem er vorhin gegessen hatte, war völlig versalzen, doch Antonio wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, um Wasser oder Wein zu bitten, obwohl er gesehen hatte, dass der Kaufmann einen verstöpselten Krug am Gürtel trug.
    Mosè öffnete die Kiste und schlug das Tuch auseinander, das den Inhalt verhüllte. Antonio machte einen langen Hals, doch statt der erwarteten glänzenden Preziosen sah er Kristalle, die meisten sehr groß und klar, andere leicht milchig, wie von einer Haut überzogen, bis hin zu kiesartigen Bröckchen. Zweifelnd schaute er das Zeug an. Konnten das Edelsteine sein? Vielleicht Diamanten? Er hatte bei einem Schmuckhändler schon welche gesehen, allerdings geschliffene, und der Händler hatte gesagt, im Rohzustand sähen Diamanten aus wie normale helle Steine.
    Vielleicht wie diese?
    Ohne es selbst zu bemerken, war er näher an den Tisch herangetreten. Er machte sich auf einen Rüffel oder einen Tritt des Kaufmanns gefasst, doch der tat nichts weiter, als den Zehnerrat erwartungsvoll anzublicken.
    Querini nahm einen der Steine aus der Kiste und schnüffelte daran, dann leckte er kurz mit der Zunge darüber und nickte langsam. »Alaun.«
    »Vollkommen makelloser Alaun«, bestätigte der Jude.
    »Und er kommt aus Ungarn?«
    »Jeder einzelne Brocken, den Ihr hier seht, stammt aus Munkács.«
    »Er sieht genauso aus wie der aus Tolfa.«
    »Warum sollte er anders aussehen? Päpstlicher Alaun, ungarischer Alaun – semper alumen est . Jedenfalls dann, wenn der Gewinnungsprozess beendet ist.«
    Querini verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete die Kristalle. Seine Miene war undurchdringlich, doch Antonio sah es in seinen Augen blitzen. Diese Art von Glanz kannte er gut. Es war reine Gier. Das Zeug musste sein Gewicht in Gold wert sein! Er überlegte fieberhaft, wie er später einen der Brocken oder besser
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