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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Autoren: Charlotte Thomas
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Ihr seid wieder ganze Kerle!«
    »Was meint er damit?«, wollte Laura von ihrem Vater wissen. »Wie können Männer im Bett zu Hengsten werden?«
    »Das ist nur eine dumme Redensart«, meinte ihr Vater. Laura sah, wie seine eben noch bleichen Wangen sich röteten, und ihr wurde klar, dass sie wieder einmal die Grenze dessen überschritten hatte, was er für ein kleines Mädchen als angemessen empfand. Doch diesmal schien ihn dabei zugleich eine seltsame Verlegenheit zu erfüllen, was sie davon abhielt, weitere Fragen zu stellen, obwohl sie ihr zuhauf in den Sinn kamen. Stattdessen richtete sie ihr Augenmerk auf die rote Mansuetta, wie der Stelzenläufer die Frau an dem Stand genannt hatte. Sie war jung, sicher noch keine zwanzig, doch sie war auf eigentümliche Weise verwachsen. Ihre ganze Gestalt wirkte schief, angefangen von ihrem Gesicht, das auf einer Seite merkwürdig verzogen war, fast wie eingedrückt, sodass das rechte Auge deutlich tiefer und weiter innen saß als das linke. Auch die rechte Schulter hing mehr herab als die linke, was allerdings daran liegen mochte, dass das rechte Bein kürzer war als das andere, denn als sie ein paar Schritte tat, war zu sehen, dass sie stark hinkte. Laura betrachtete sie fasziniert und überlegte, warum die Frau trotz dieser Entstellungen nicht wirklich hässlich aussah. Ob es an dem Haar lag, das ähnlich rot war wie ihr eigenes? Es lugte in kupfrigen Wellen unter der Haube hervor, die es nur unzureichend bedeckte, und es lenkte den Blick auf ein weiteres anziehendes Körpermerkmal, die Augen – sie waren leicht schräg geschnitten und von einem klaren Braun.
    Ihre eigenen Augen waren blau wie Lavendel im Regen, ein Vergleich, den ihr Vater oft bemühte, und ihr Haar war im Farbton ein wenig heller als Kupfer, durchmischt mit Strähnen von Bronze und rötlichem Gold – auch diese Beschreibung stammte von ihrem Vater, der sie häufig malte und stets jede Farbnuance, die er dabei verwendete, in poetische Worte kleidete.
    Davon abgesehen war ihr Haar wesentlich ungebärdiger als das der Frau; es lockte sich in wilden Kringeln und widerstand allen Bemühungen, es zu frisieren und zu flechten. Es entwich regelmäßig den Zöpfen und bauschte sich wie von Zauberhand berührt auf, sobald die Haube verrutschte, was andauernd passierte, sogar dann, wenn sie unter dem Kinn mit Bändern befestigt wurde. An diesem Tag hatte Laura sich von vornherein geweigert, eine Haube zu tragen, weil die Hitze auch so schon unerträglich war. Ihre Mutter hatte nur halbherzig protestiert, wie immer, wenn Laura ihren eigenen Willen kundtat.
    Sie gingen an dem Stelzenläufer und der verwachsenen Frau vorbei und schlenderten über die Piazza, bis sie einen Stand erreichten, an dem Zuckergebäck verkauft wurde. Lauras Vater erstand einen der süßen, in Fett ausgebackenen Krapfen und reichte ihn ihr. Sie bedankte sich und biss hinein. Für sich selbst kaufte er an einem der Ombretta -Stände einen kleinen Becher Wein und ließ es sich schmecken, während sie beide das rege Treiben um sich herum betrachteten.
    Das Gedränge auf der Piazza vor dem Dogenpalast und der Basilika sowie rund um den Campanile war an Markttagen fast so stark wie am Rialto. In den Arkadengängen der Prokuratie standen in Gruppen die Kaufleute und Geldwechsler, und auf dem Platz davor reihten sich die Verkaufsstände der Händler aneinander. An der Mole vor der Piazzetta ragten die Masten der zahlreichen Boote auf, die dort vertäut lagen, und eine kräftige Brise blähte die Segel der übrigen, die in der Lagune kreuzten. Der Wind trieb den Geruch von Salz und Tang herüber, der sich auf der Piazza mit dem Duft von gebratenem Fisch und frischem Kuchen mischte. Im Hintergrund bildeten die Kuppeln und Türmchen der Basilika sowie die spitzbogige Dachbekrönung des Dogenpalastes einen Saum aus goldenem und alabasternem Zierrat vor der Bläue des Himmels. Die Sonne erhellte den prächtigsten Platz der Serenissima, sie bestrahlte die kunstvoll durchbrochenen Fassaden mit den marmornen Statuen ebenso wie die Gesichter der Menschen an den Buden, und sie ließ mit ihrem Licht alles luftig und frei und hoffnungsvoll aussehen.
    Den Geschmack des Zuckers auf der Zunge, schloss Laura für einen Moment die Augen und träumte sich hoch hinauf zu dem Löwen, stellte sich vor, wie es wäre, den Platz von oben zu betrachten, alle Menschen zu ihren Füßen, in ihrem Rücken die Weite der Lagune und vor sich ausgebreitet die Stadt. Doch dann
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