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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
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Begleichung der Kosten für die Überfahrt war sogar etwas übrig geblieben.
    Bis dahin, fuhr es Irmelind durch den Kopf, ist alles so glatt verlaufen, dass ich ganz misstrauisch wurde.
    Und sie sollte Recht behalten mit ihren düsteren Vorausahnungen. In Dünkirchen hatten sie die Mármora, einen Dreimaster, bestiegen. Und da hatte das Unglück seinen Lauf genommen. Die Schiffspassage dauerte sechzig Tage. Es gab mehrere heftige Stürme. Vier Familien verloren dabei Kinder, die Blums selbst waren verschont worden. Doch das ungute Gefühl war geblieben.
    In Buenos Aires hatten schließlich die Behörden die Landung nicht erlaubt, wegen des Krieges, der damals zwischen der Konföderation, also den zur Republik vereinigten Provinzen Argentiniens, und Buenos Aires, jener Provinz, die dabei nicht mitwirken wollte, tobte. Die Mármora musste zurück nach Montevideo. Von dort aus waren die Auswanderer zum Ort Martín García gebracht worden, und ab da ging es mit einem Flussdampfer weiter. Während dieser Fahrt, auf der sie in dem engen Schiffsraum wie Heringe zusammengepfercht waren, waren noch zwei junge Mädchen gestorben. Ein kleines Kind war über Bord gefallen und ertrunken. Mit Mühe nur hatte man die Mutter davon abhalten können, sich hinterherzuwerfen. Irmelind hatte der Anblick schier das Herz zerrissen.
    Irmelind schloss für einen Moment die Augen.
    Ich darf nicht daran denken, ich darf es nicht.
    Zwanzig Jahre lebten sie nun schon in Argentinien, und doch erinnerte sie sich an den Tag der Ankunft, als sei es erst gestern gewesen. Wie fremd war ihr alles vorgekommen: die Landschaft, der Boden, die Pflanzen, der Himmel, die unendliche Weite und die große Anzahl fremdartiger, oft dunkelhäutiger Gestalten, die auf dem höhergelegenen Ufer hockten, um sie willkommen zu heißen.
    Das sind unsere neuen Nachbarn, hatte sie immer wieder tonlos zu sich gesagt, unsere neuen Nachbarn, wie einen Rosenkranz hatte sie es wiederholt, den man auch immer und immer wieder betete.
    Bald waren Reiter mit großen Karren herbeigekommen. Die Pferde, das hatte sie damals zum ersten Mal gesehen, waren direkt an der Deichsel mittels des Sattelgurts befestigt. Seltsam war ihr das vorgekommen, wenn nicht wie Tierquälerei. Auch das Verladen war auf ungewohnte Art vor sich gegangen. Planken waren zu ihrem Dampfer gelegt worden, dann hatten Einheimische über das bereitstehende Gepäck Lassos geworfen und es so an Land gezogen. In diesen ersten Augenblicken war Irmelind aus dem Staunen nicht herausgekommen.
    Und dann war das Furchtbare passiert, das Unaussprechliche … und Claudius Liebkind trug daran die Schuld.
    Nochmals wischte Irmelind sich mit dem Ärmel über die Augen. Obwohl sie sich auf der Reise angefreundet hatten, legten die Liebkinds und die Blums die weitere Strecke nach Esperanza getrennt voneinander zurück. Auf dem Weg waren zahlreiche Bewohner der am Wegesrand liegenden ranchos , wie man die kleinen Bauernhöfe in der Landessprache nannte, aufgetaucht. Frauen hatten frische Milch in ausgehöhlten Kürbissen, sogenannten Kalebassen, gereicht. Die kleinen Kinder unter den neuen Kolonisten waren vor den seltsamen Gefäßen zurückgeschreckt. Irmelind hatte dem kaum Beachtung schenken können. Sie hatte sich wie erstarrt gefühlt.
    Auch während der ersten arbeitsamen Wochen und Monate hatte sie kaum Gelegenheit gehabt, über das Geschehene nachzudenken, sich ihrem Schmerz hinzugeben. Das neue Leben hatte sie alle vollkommen in Beschlag genommen. Kaum einer konnte auf die Gefühle des anderen achten. Sehr bald zeigte sich beispielsweise, dass das Vieh nicht so zahm war wie das in Europa. Band man die Tiere nicht fest, kehrten Kühe und Stiere einfach auf die Estancia zurück, auf der sie aufgewachsen waren, und mussten mühsam wieder eingefangen werden.
    Doch im Laufe der Zeit spielte sich die Arbeit ein. Nach dem Frühstück wurden die Ochsen aufgejocht oder die Pferde angeschirrt und vor den Pflug gespannt. Wenn ein zweiter Mann fehlte, mussten auch die kleinsten Kinder ran. Irmelind hatte Fünfjährige die Pferde führen sehen, während sich der Vater angestrengt mühte, den Pflug in der Furche zu halten.
    Damals hatte es viel Maisbrei gegeben, morgens, mittags und abends. Jeden Abend war für den nächsten Tag mühevoll neuer Mais zerstoßen worden. Danach hatte man beim Kohlenfeuer noch ein wenig geplaudert und war früh zu Bett gegangen. Für Lampenöl fehlte das Geld.
    Auch an eine bislang ungewohnte Gefahr
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