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Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Titel: Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Autoren: Jocelyn Kelley
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noch großartiger, als Avisa es sich vorgestellt hatte. Von imposanten Stadtmauern umgeben, drängten sich die Häuserzeilen an den Straßen, die von der Kathedrale ausgingen. Kein Mensch ließ sich blicken, als sie mit den ermatteten Pferden und dem erschöpften Pagen durch die dunkle Stadt mit den engen Straßen zog. Die Hauseingänge waren mit grünen Zweigen geschmückt, doch Gesänge waren nicht zu hören, man sah kein fröhliches Treiben, das auf das Nahen der Mitternacht und den nächsten Tag voller Lustbarkeiten eingestimmt hätte, und es gab auch keine lustigen Kunststücke zum Gaudium der Vorübergehenden. Die gewohnten Festbräuche schienen vergessen, stattdessen hingen dicker Qualm und eine Ahnung drohenden Unheils in der Luft.
    Im Kloster würden die Schwestern den Tag St. Alberts, des Gründers der Benediktinerabtei, feiern. Der 29. Dezember war immer ein Festtag. So hätte es auch in Canterbury sein sollen, da die Brüder im Kloster innerhalb der Kathedralenmauern Benediktiner waren.
    Die Stille wirkte unheilvoll, und Avisa ertappte sich dabei, dass sie wiederholt einen Blick über die Schulter warf.
    »In diese Richtung«, sagte der Page und bog nach links in einen kleinen Hof unweit der Mauer ein, die den Bereich der Kathedrale von der Stadt trennte.
    Das Haus an der Hinterseite des Hofes war gegen die winterliche Dunkelheit hell erleuchtet. Ein paar Wagen standen davor, Spuren im gefrorenen Schlamm verrieten das Kommen und Gehen von Menschen und Pferden.
    Der Page hämmerte mit der Faust an die Eingangstür. Als geöffnet wurde, sprach er leise mit dem Mann im Eingang, ehe er Avisa bedeutete, ihm zu folgen. Ein Knabe eilte herbei und übernahm die Pferde. Sie nickte ihm dankend zu.
    Im Haus schloss sie die Augen, heilfroh, der windigen, kalten Nacht entronnen zu sein. Doch das Ausruhen musste warten. Erst musste sie feststellen, ob Christian hier war.
    »Ich bin Lady Avisa de Vere«, sagte sie, als der Diener sie nach dem Grund ihres Kommens fragte. Sie blickte um sich. Zur Linken war eine Treppe, gegenüber stand eine niedrige Tür halb offen. In einer Nische der Mauer vor ihnen brannten zwei Kerzen. »Mein Begleiter ist Baldwin Lovell, der Page Sir Christian Lovells, der als Hochzeitsgast in diesem Haus geladen ist.«
    Der Mann verbeugte sich tief. »Mylady, Ihr seid in einer so kalten Nacht wie dieser willkommen. Wenn Ihr hier warten wollt, lasse ich ein Gemach für Euch vorbereiten.«
    »Ist Sir Christian Lovell bereits eingetroffen?«, rief sie dem Mann nach, der bereits die Treppe hinaufeilte.
    »Noch nicht, Mylady.«
    Neben ihr stieß Baldwin Christians Lieblingsfluch aus. Sie war versucht, ihn zu wiederholen. Sie hatten Christian und Guy auf der Straße nach Canterbury nicht überholt. War es denn möglich, dass die beiden ihre Absicht geändert hatten? Aber wohin waren sie geritten? Nach Lovell Mote? Das ergab keinen Sinn. Der Junge hielt unerschütterlich daran fest, dass ihr Ziel diese Stadt war.
    »Wäre es möglich, dass sie in Canterbury anderswo Quartier nahmen?«, fragte Avisa.
    Baldwin rieb die Hände. »Er wohnt immer hier.«
    »Könnten sie irgendwo eingekehrt sein?«
    »Immer wenn Ihr unterwegs nach ihm gefragt habt, hieß es, Sir Christian sei vorbeigekommen.«
    »Wo mögen sie dann sein, Baldwin? Unterhält Lord Lovell ein Haus in der Stadt?«
    »Baldwin? Lord Lovell?«, fragte ein Mann, der aus dem zur Rechten gelegenen Raum trat. Sein braunes Gewand und das Kruzifix an seiner Brust zeigten an, dass es sich um einen Geistlichen handelte. Die spärlichen Haarsträhnen auf seinem Kopf waren weiß, sein Antlitz war zerfurcht wie Baumrinde. Er bewegte sich mit der Vorsicht eines Mannes, dessen Knochen brüchig sind. Er sah sie lächelnd an. »Baldwin Lovell, du warst wenig mehr als ein Säugling, als ich dich zum letzten Mal sah.«
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Junge.
    Der Mann lachte. »Kein Wunder, dass du dich an mich nicht erinnerst, da ich, abgesehen von dem kurzen Besuch auf Lovell Mote, als du geboren wurdest, im Haus des Erzbischofs diente. Ich bin Vater James, der Hauskaplan deines Onkels.«
    Avisa starrte ihn verwundert an. Vater James war einer derjenigen, von denen Christian gemeint hatte, sie wüssten, was sich an jenem Tag zugetragen hatte, als man Lord Lovell als Feigling brandmarkte.
    »Wer ist deine Begleiterin, Baldwin?« Pater James lächelte.
    Avisa wartete ungeduldig, bis der Junge sie vorgestellt hatte, und fragte: »Habt Ihr Sir Christian gesehen?«
    Der
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