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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein
Autoren: Tom Hodgkinson
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mich zum Gemüsebeet zu begleiten, wodurch ich die nützliche und erfreuliche Aktivität des Nahrungsanbaus mit der Kinderbetreuung verbinde. Die Abende sind dem Trinken und Essen sowie Gesprächen vorbehalten.
    Vor der Industrialisierung bildeten »schön« und »nützlich« noch keine Gegensätze. Sie waren identisch. Der Bauer/Handwerker besaß einige Morgen Land und konnte einen Teil seiner Nahrung selbst produzieren. Diese Art Verantwortung für die eigene Tätigkeit ist beseitigt worden, und die Arbeit beschränkt sich nun ausschließlich darauf, einem übergeordneten Herrn Schichten des Lebens zu überlassen, um Geld zu verdienen – und zwar viel umfassendere Schichten, als von allen unterdrückten mittelalterlichen Leibeigenen erwartet wurde.
    In Homo Ludens schreibt der ehrwürdige Huizinga, sämtliche Kulturen beruhten im Kern auf einem Konzept des Lebens als Spiel, nicht als Arbeit. Beispielsweise gäben sich die Japaner ihren asobi und asobu hin: »Das Substantiv asobi und das Verbum asobu bedeuten: Spielen im Allgemeinen, Entspannung, Belustigung, Zeitvertreib, Ausflug, Erholung, Ausschweifung, Würfeln, Nichtstun, Herumliegen, Unbeschäftigtsein.« Erstaunlich ist die Ähnlichkeit mit dem englischen gesellschaftlichen Phänomen, dass man mit dem Akronym ASBO (Anti-Social Behaviour Order) bezeichnet und das den neuesten gescheiterten Versuch der Gesetzeshüter darstellt, straffällige Jugendliche in den Griff zu bekommen. Das Spiel und sein Bruder, der Müßiggang, waren einst Teile der Arbeit. Früher überanstrengten sich nicht einmal die Richter. In De laudibus legum Angliae, entstanden im Jahr 1470, prahlt Fortescue sogar damit, wie wenig Arbeit die Richter leisten. Dadurch hätten sie mehr Zeit zum Nachdenken, was sie zu besseren Richtern mache.
    Solche Aussagen wären heute fast unvorstellbar, denn die meisten von uns versichern allen anderen, wie fleißig sie seien. In der Wechselwirkung zwischen Realität und Traum, zwischen Alltag und Jenseits hat das Hier und Jetzt schon zu lange einen beherrschenden Einfluss. Wir müssen das Gleichgewicht wiederherstellen. »Nur den Bogen schlagen von der Prosa zur Leidenschaft, dann werden beide erhöht werden, und die höchsten Höhen, zu denen menschliche Liebe sich aufzuschwingen vermag, werden sichtbar«, schrieb E. M. Forster in Wiedersehen in Howards End. »Nicht länger in Bruchstücken leben!«
    Wir haben das Spiel, die Seele, die Kreativität verloren. Der große Junkie-Beatnik Alexander Trocchi verkündet in seinem Buch Invisible Insurrection:
    Der Mensch hat vergessen, wie gespielt wird. Und wenn man an die seelenlosen Aufgaben denkt, die jeder in der industriellen Umgebung abwickeln muss, an die Tatsache, dass die Erziehung zunehmend technisch und für den gewöhnlichen Menschen nicht mehr als ein Mittel der Anpassung an eine »Arbeit« geworden ist, dann kann es einen kaum verwundern, dass der Mensch verloren ist. Er hat geradezu Angst vor mehr Freizeit … Da seine Kreativität gehemmt ist, orientiert er sich ganz und gar nach außen …
    Die Erziehung selbst ist ein Aufschub, eine Verzögerung. Wir werden aufgefordert, uns anzustrengen und gute Ergebnisse zu erzielen. Warum? Damit wir einen guten Arbeitsplatz erhalten? Was ist ein guter Arbeitsplatz? Einer, an dem man gut bezahlt wird. Ach so. Und das war’s? All die Qualen, nur damit wir eine Menge Geld verdienen, ohne jedoch unsere Probleme lösen zu können? Es ist eine tragisch eingeschränkte Vorstellung vom Leben. Dabei sollten wir dauernd herumalbern, um das Leben um seiner selbst willen zu genießen, und zwar jetzt, nicht erst in einer imaginären Zukunft. Es leuchtet ein, dass der fröhliche, heitere Mensch, der kindliche Erwachsene, am wenigsten vom Leben zu befürchten hat. Jedes Mal wenn ich eine Party entweder bei uns zu Hause oder im Gemeindesaal veranstalte, beschwert sich einer unserer Nachbarn. Er ist ein ängstlicher Typ, ohne Frohsinn, erfüllt von einem zwänglichen Ernst. Andere existieren für ihn nur als Schranken für seinen Kokon, den er als »Ruhe und Frieden« bezeichnet. Er ist aus dem Leben geflohen.
    Man hat uns beigebracht, dass das neue System, in dem ein Dienstleistungsgewerbe die Dienstleistungen ersetzt hat – oder, um es anders zu formulieren, in dem wir nicht mehr für die Großgrundbesitzer, sondern für die Großunternehmen arbeiten –, einen Fortschritt für die persönliche Freiheit bedeute. Aber ich bezweifle diese Annahme. Kein feudaler Lehnsherr
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