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Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)

Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)

Titel: Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Autoren: Chris Morgan Jones
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hier macht Ihnen Spaß, was? Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, wie viel Arbeit wir investiert haben?«
    Webster klaubte seine Unterlagen zusammen und stand auf. »Morgen früh haben Sie meine Rechnung. Ich an Ihrer Stelle würde mir ernsthaft überlegen, Mr. Clifford still und leise zu verabschieden. Allermindestens.«
    Er wollte das Zimmer verlassen, doch der Boxer, der am Ende des Tisches neben der Tür stand, versperrte ihm den Weg.
    »Zwei Jahre«, sagte er. »Zwei Jahre meiner Zeit, seiner Zeit. Das halbe Büro hat daran gearbeitet.«
    Webster musterte ihn einen Moment lang; sein Haaransatz war verschwitzt, und sein Hals drückte gegen den Hemdkragen. Der Boxer starrte ihn erneut unverhohlen an und neigte seinen Kopf leicht nach vorne, wohl um bedrohlich zu wirken.
    »Vielleicht hätten Sie früher zu mir kommen sollen«, sagte Webster.
    Der Boxer legte ihm die gesunde Hand auf den Brustkorb. Webster ließ sie dort und schaute ihm in die Augen, und für einen Moment fragte er sich, was wohl passieren würde, wenn er ihm die Stirn mit voller Wucht gegen seine knubbelige, platt gedrückte Nase rammen würde.
    »Ich gehe jetzt.«
    »Sollte der Deal platzen, sehen Sie kein Geld.«
    »Das wäre Vertragsbruch, und dann erzähle ich jedem, mit wem Sie verkehren. Nehmen Sie Ihre Hand weg und machen Sie Platz.«
    »Das würden Sie tatsächlich tun, ach ja?«
    »Wenn ich das Sagen hätte, hätte ich es längst getan.«
    Schließlich trat der Boxer einen Schritt zur Seite, und Webster ging an ihm vorbei und bedankte sich bei seinem Kollegen mit einem Kopfnicken höflich für seine Zeit.
    Es fiel ein feiner kalter Frühlingsregen, während Webster zu Ikertu Consulting zurücklief, durch die alten Straßen Richtung Inner Temple, wo Rechtecke warmen Lichts in der Dämmerung leuchteten. Dieser komplette Block Londons, der sich knapp anderthalb Quadratkilometer westlich der City erstreckte, diente dem Klientenverkehr. Jahrhundertelang war er der Sitz von Anwälten gewesen, und nach ihnen waren Buchhalter, Rechtsbeistände und Berater jeder Couleur hier eingezogen. Und eine ganz bestimmte Sorte Detektive, dachte Webster.
    In den Zimmern um ihn herum wurden Klagen vorbereitet, Bilanzen geprüft, Vorträge ausgebrütet, Effizienzüberlegungen angestellt, Schulden zusammengerechnet und Strategien erdacht von Heerscharen von Mitarbeitern, Geschäftsführern und Partnern, die sich nach Stunden bezahlen ließen, manche auch nach Minuten, und saftige Honorare verlangten. Es war eine eigene Welt mit eigenen Verhaltensregeln, Ritualen und Kleiderordnungen, doch selbst in seinem zehnten Jahr hier fühlte Webster sich immer noch nicht richtig zugehörig. Wenn er eine Rechnung an einen Klienten schickte und sah, dass man Tausende von Pfund pro Tag für ihn bezahlte, fragte er sich zunächst, warum es eine so hohe Summe war, dann, welchen Betrag sich der Klient wohl leisten konnte, und schließlich, wie viel seine Arbeit tatsächlich wert war. Er zweifelte nicht an sich; er wusste, dass er gut war. Aber er sah, wie die Stunden abgearbeitet, aufgeschrieben und berechnet wurden und konnte sich kaum vorstellen, dass dies die Welt zu einem besseren Ort machen würde.
    Das Büro hatte ihm eine SMS geschickt. Bei Ikertu wartete ein neuer Klient, der ohne Termin vorbeigekommen war, mit Hammer sprechen wollte und sich, da dieser nicht da war, bereit erklärt hatte, auf Websters Rückkehr zu warten. Klienten ohne Termin waren in der Regel irgendwelche Spinner, und Webster hoffte, es würde nicht lange dauern.
    Beim Anblick der merkwürdigen Gestalt am anderen Ende des Empfangs dachte er als Erstes, dass der Mann offensichtlich im Dunkeln aufgewachsen war – vielleicht hatte man ihn in eine unbeleuchtete Hütte gesperrt und bislang vergessen, ihm ein paar Farben zu verpassen. Er war vollkommen monochrom: schwarzes, über extrem blasser Haut akkurat gescheiteltes Haar, ein weißes Hemd mit einer schwarzen Krawatte und einem schwarzen Anzug, dazu schwarze Socken, schwarze Schuhe und neben sich eine Aktenmappe, ebenfalls schwarz, darauf ein zusammengelegter grauer Macintosh-Regenmantel. Er las eine Zeitung, die er mit ausgestreckten Armen von sich fort hielt, und saß reglos da, wie in Form gegossen. Seit seinem Anruf war eine Stunde vergangen, aber das schien ihm nichts auszumachen, vielleicht hatte er für die weltlichen Dinge, für Zeit und für Farbe, nur Verachtung übrig.
    Als er spürte, dass sich jemand näherte, schaute er auf und erhob
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