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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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Sinne verwirren und sein Herz vor Freude springen lassen konnte. Aber nein. Kein Platz für Gefühle, wo die Wissenschaft regiert. Stolz konnte er nun auf sich sein, dass er so selbstbeherrscht war. Stolz, dass ihn seine hart erlernte Disziplin nun in dieses dreckige Loch gebracht hatte anstatt in ein schönes Haus, wo er seine vielen Kinder die Gedächtniskunst oder das Wissen über das Weltall hätte lehren können. Die Tränen waren versiegt, die Wut über sich selbst war geblieben. Er hatte die Wahl gehabt. Nun hatte er sie nicht mehr.
    Kapitel 3
    Giordano wählte den Weg an der Küste entlang, westlich am Vesuv vorbei. Es war schwül, und er begann, schon wenige Schritte nachdem er die kühlenden Klostermauern verlassen hatte, stark zu schwitzen.
    Kopernikus … an ihn musste Giordano nun denken, als er den Himmel über sich betrachtete. Kopernikus. Bald schon, war er sich sicher, würde er wieder in den Genuss der Lektüre dieses großartigen Geistes gelangen.
    Die schmale Landstraße nahe am Meer versprach Linderung durch einen leichten Seewind. Rasch versuchte er die engen Gassen Neapels zu verlassen, wo es nach Unrat stank und die Katzen mit den Ratten um Fressbares wetteiferten. Der sternenklare Himmel würde ihm den Weg weisen. Eine angenehme Leichtigkeit, die er nicht mehr gespürt hatte, seit er zum Priester geweiht worden war, erfasste ihn. Die Bücher drückten durch den Stoffbeutel gegen seinen Rücken, doch gemahnten sie ihn ständig an die Worte der altehrwürdigen Kirchenväter, die Askese und Abwendung von allem Luxus gepredigt hatten. Der Weg war steinig. Giordano konnte zwischen Eselsdung und Ziegen den Duft wilden Majorans ausmachen. Einzig der kleine Guiseppe würde ihm fehlen. Der Einzige, der seinen Gedanken hatte folgen können, der lange Nächte mit ihm diskutiert hatte. Über die Unendlichkeit, das Universum und Gott. Darum drehte sich doch alles.
    Giordano spürte die Unebenheit der Straße. Er war nie länger vor den Klostermauern gewesen, außer um ab und an einer Vorlesung in den Akademien des Telesio oder des della Porta zu lauschen. Das Leben draußen hatte ihn nicht sonderlich interessiert. Eine gute Wegstunde südlich von Neapel kamen ihm aus der Dunkelheit die ersten Menschen entgegen. Bauern auf dem Weg zu den Märkten der Stadt. Ochsengespanne. Schwer bepackte Esel brachten Oliven, Datteln und Öl. Allerlei Federvieh in Holzkäfigen, luftgetrockneter Speck und Wassermelonen, um die Einwohner Neapels zu versorgen. Kleine Kinder schliefen auf den Ochsenkarren, während die schon etwas älteren die Tiere mit Stockhieben antrieben. Die meisten von ihnen liefen barfuß und trugen wadenlange, an vielen Stellen geflickte Hosen, die nur durch ein Stück Seil am Bund festgehalten wurden. In der Dunkelheit konnte Giordano die endlosen Reihen der Olivenbäume, die hin und wieder von kleineren Weingärten unterbrochen waren, nicht sehen. Die Bauern hatten ihre Grundstücke mit niedrigen Steinmauern eingesäumt, wohl auch um der Erde Schutz vor den einmal von der Bergseite, einmal von der Meeresseite kommenden Winden zu bieten.
    Giordano versuchte, sich mit einigen Denkübungen die Zeit zu vertreiben. Die letzten Monate hatte er sich intensiv mit den Schriften des katalanischen Philosophen Raimundus Lullus beschäftigt und dabei viel über Logik und Gedächtniskunst, aber auch über Alchemie und Metaphysik gehört, Disziplinen, die ihn magisch anzogen, wohl wissend, dass sie im Kloster nicht wohlgelitten waren. Einige seiner Mitbrüder kamen öfter heimlich zu ihm, und er erzählte ihnen von wundersamen Dingen, über die er in Büchern gelesen hatte, die sie selbst nicht einmal aufzuschlagen wagten. Lullus hatte eine Maschine erfunden, mit der man Wörter kombinieren konnte, um daraus logische Schlüsse ziehen zu können. Die Wörter waren auf Scheiben geschrieben, die durch Drehen der Scheiben neue Kombinationen und logische Zusammenhänge ergaben.
    Mühelos gelang es ihm, ein Buch, das er schon vor einiger Zeit gelesen hatte, zu memorieren. Natürlich hatten Aristarch von Samos und der große Kopernikus recht. Nicht das Weltall drehte sich um die Erde, war gleichsam wie eine Zwiebel von Schalen aus Feuer, Licht, Wasser und Äther, in dem sich die Leiber der Verstorbenen aufhielten, umgeben, sondern alle Planeten, also auch die Erde, drehten sich in Bahnen um die Sonne. Er, Giordano Bruno, würde Ptolemäus und Aristoteles für ihren Irrtum von ihren Sockeln stoßen. Er war überzeugt,
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