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Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Autoren: James Barclay
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während der Wind das Schiff mit guter Geschwindigkeit vorantrieb. Sie hatten die Cirandons Stolz am Vorabend in der Dämmerung gefunden. Die erste Erleichterung, als sie an Bord gehen konnten, war rasch verflogen, und nun erst, einen Tag später, wurde ihnen ihre Situation voll und ganz bewusst.
    Arducius hatte sich bemüht, für sie alle Stärke zu zeigen, doch innerlich fühlte er sich so verloren wie Mirron, auch wenn er es nicht zugab. Ossacer war ebenfalls krank, der Schock hatte ihm jegliche Kraft geraubt. Er lag unter Deck, und die Schiffsärztin kümmerte sich um ihn, während Kapitän Patonia ihnen ihre Befehle zu erklären versuchte. Sie war eine stattliche Frau. Nicht sehr groß, aber mit muskulösen Schultern, kurz geschnittenem Haar und einem nach vielen Jahren auf See geröteten und groben Gesicht.
    »Sirrane ist ein geheimnisvolles, verschlossenes Land«, erklärte sie geduldig. »Der Marschall war an den Verhandlungen beteiligt, die darauf abzielten, Handelsbeziehungen und diplomatische Vertretungen einzurichten. Sie kennen ihn und vertrauen ihm so weit, wie sie überhaupt jemandem trauen. Dort seid ihr viel sicherer als irgendwo sonst.«
    »Das ist aber so weit weg«, wandte Gorian ein.
    »Genau deshalb seid ihr dort sicher«, erklärte Patonia. »Ihr werdet in Byscar das Schiff verlassen und quer durch Atreska und Gosland auf der Hauptstraße der Konkordanz reisen. Einige der besten Leute des Marschalls sind an Bord und werden euch begleiten.«
    »Ich will da nicht hin«, heulte Mirron.
    »Du musst aber«, fauchte Patonia. »Gott umfange dich, Kind, du solltest dankbar sein, dass sich so mächtige Freunde um dich kümmern. Du weißt überhaupt nicht, welches Glück du hast.«
    Gorian wollte etwas sagen, aber Kovan kam ihm zuvor.
    »Lass es, Gorian«, sagte er. »Kapitän, den Aufgestiegenen kommt es nicht so vor, als hätten sie Glück gehabt. Sie wurden aus ihrer Heimat verjagt, ihr geliebter Vater ist vor ihren Augen gestorben, und sie haben mehr Blut gesehen, als ein Mensch sehen sollte. Sie sind wirklich unschuldig. Gib ihnen bitte etwas Zeit, sich umzustellen.«
    Arducius starrte Kovan mit erneuertem Respekt an, und Mirron folgte seinem Beispiel. Nur Gorian machte eine finstere Miene.
    »Also erzähl uns nicht, wir hätten Glück gehabt«, sagte er mürrisch. Unter den Augen hatte er tiefe Ringe aufgrund des Schlafmangels.
    Patonia nickte. »Demnach seid ihr unschuldige Opfer? Ich weiß nicht, wer ihr seid oder was ihr angeblich tun könnt, aber ich will euch eines sagen. Die Fahrt nach Byscar dauert zwanzig Tage, wenn der Wind uns nicht hilft. Wenn er von Süden her stetig mit sechs Knoten übers Tirronische Meer weht, schaffen wir es vielleicht in zwölf Tagen. Dann habt ihr noch einmal fünfundzwanzig Tage zu Pferd, mit Booten und zu Fuß vor euch, bis ihr Sirrane erreicht. Ihr müsst ohne Pause reisen, weil euch vermutlich die Feinde auf den Fersen sind. Feinde, die euch töten wollen. Sonst wärt ihr nicht an Bord meines Schiffs.
    Euch stehen schwere Zeiten bevor, und ganz egal, wie laut ihr über das weint, was ihr verloren habt, ihr könnt nichts daran ändern. Ihr steht unter meiner Obhut, wie Marschall Vasselis es befohlen hat, und ich werde euch wohlbehalten in Byscar abliefern. Das bedeutet, dass ihr mir und meiner Mannschaft nicht in die Quere kommt, weil ihr sonst nach Atreska schwimmen dürft. Habt ihr das verstanden? Wir sind hier auf offener See, und hier habe ich den Befehl. Hier ist Schluss mit der Unschuld.« Sie wandte sich ab und nickte Kovan zu. »Du kannst dich bei deinem Vater über mich beschweren, wenn du ihn das nächste Mal siehst, aber im Augenblick habe ich Wichtigeres zu tun.«
    Damit marschierte sie zum Heck, wo sich das Steuerruder befand, und blickte unterwegs zum Segel hinauf.
    »Warum lässt du zu, dass sie so mit uns redet?«, wollte Gorian wissen.
    »Sie führt dieses Schiff. Mein Vater hält sie für einen hervorragenden Kapitän, und das soll mir reichen. Eigentlich ist sie gar nicht so übel. Ich glaube, sie mag einfach keine Leute, die nicht zur See fahren.«
    Mirron hing schon wieder über der Reling und würgte. Die Haare wehten ihr in den Mund, und das Erbrochene mischte sich mit Speichel, der in Fäden aus ihrem Mund rann. Kovan wollte zu ihr, aber sie wehrte ihn mit einem Achselzucken ab.
    »Ossacer wird dir helfen, sobald er kann«, sagte Arducius.
    »Falls er kann, wolltest du wohl sagen«, warf Gorian ein.
    »Und du lässt ihn in Ruhe.«
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