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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Autoren: James Barclay
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steht.«
    Yuran verneigte sich. »Danke, meine Advokatin.« Er richtete sich auf und wandte sich mit einer ausholenden Geste an die ganze Kammer. »Geehrte Abgeordnete, hier dürfte niemand sein, der mehr über die Haltung der Tsardonier weiß als ich. Die tsardonischen Krieger und die Steppenkavallerie haben mit uns gegen die Konkordanz gekämpft. Wir hängen einem gemeinsamen Glauben an, wir haben eine gemeinsame Familiengeschichte und treiben Handel miteinander. Wir sind Freunde. Natürlich sind sie äußerst besorgt, nachdem die Konkordanz sich nun auch Atreska einverleibt hat.
    Ihr wisst alle von den beständigen Scharmützeln an der Grenze zu Gosland. Ähnliches wird zwangsläufig auch weiter im Süden bei uns geschehen. Im Augenblick schenkt man unseren Versicherungen Glauben, dass Frieden herrschen und der Handel ungestört bleiben soll, aber falls sich herumspricht, dass neue Kräfte der Konkordanz ausgehoben und verlegt werden, dann gelten wir als Feind. Die Grenzfestungen, die errichtet werden, schaffen Misstrauen und beeinträchtigen den Handel. So entstehen Spannungen in meinem Land, die unsere Einnahmen mindern, was aber, wie ich bemerke, nicht zu einer Verminderung der Steuerlast geführt hat.
    Das Königreich von Tsard ist groß und weitläufig und besitzt gemeinsame Grenzen mit Kark und Sirrane, genau wie die Konkordanz. Aber jedes der Reiche hat eine bestimmte, ihm gemäße Größe. Sie wissen, dass sie die ihre erreicht haben. Ich glaube, dass wir nun die unsere erreicht haben. Eine Invasion von Tsard oder auch nur eine entsprechende Drohung hätte verhängnisvolle Folgen. Das Land ist zu groß, das Volk zu zahlreich und das Gelände zu schwierig. Sie sind stolz und entschlossen, und wir in Atreska werden zu den ersten Opfern zählen. Sie hassen nichts mehr als einen Freund, der sich gegen sie wendet.
    Bitte hört auf mich. Gebt Euch mit dem zufrieden, was Ihr habt. Wenn Ihr schon expandieren müsst, dann tut es im Norden, wo die primitiven Länder durch die Herrschaft der Konkordanz nur gewinnen können. Tsard wird ebenso wenig aufblühen wie wir, wenn es angegriffen wird. Der Handel mit dem Königreich ist ungleich nutzbringender für unsere Zukunft. Ich brauche Eure Hilfe, um mein Land zu stabilisieren. Was ich nicht gebrauchen kann, ist eine Invasionstruppe, die durch mein Land marschiert und einen Feldzug beginnt, der unweigerlich mit einer Niederlage enden wird.«
    Während seiner Ansprache waren die Kommentare immer lauter geworden, und als er sich setzte, schwollen die verächtlichen Rufe, da er die Konkordanz beleidigt und ihre Stärke in Zweifel gezogen hatte, zu einem ohrenbetäubenden Lärm an.
    »Genug!« Herine stand auf. Sofort senkte sich Schweigen über den Saal. »Ich werde nicht untätig zuschauen, wie Ihr Schmähungen austeilt. Tragt das draußen im Schnee aus. Es gibt keine einmütige Zustimmung zu den Plänen der Advokatur, was die Invasion von Tsard angeht, und ebenso wenig in Bezug auf unseren Feldzug gegen Omari. Ihr habt die Argumente vernommen. Ich bin die Advokatin der Konkordanz und spreche für Euch, aber ich bin keine Diktatorin. Wir werden abstimmen, wie das Gesetz es für den Fall vorsieht, dass es unterschiedliche Ansichten gibt.« Sie winkte einen ihrer Proprätoren nach vorn, der die Abstimmung überwachen sollte, und setzte sich wieder.
    Die freie Abstimmung ging mit einer eigenartigen, fast kindlichen Aufregung einher. Immerhin bestand ein gewisses Risiko, dass die Advokatin ihren Willen nicht durchsetzen konnte. Solche Niederlagen kamen selten genug vor, aber eigentlich nie in Zusammenhang mit einer Expansion. Herine war sicher, dass die Abstimmung, wenngleich knapp, zu ihren Gunsten ausgehen würde.
    Als aber die Hände gehoben wurden und die Stille in der Kammer um sich griff, zerfielen ihre Hoffnungen zu Asche. Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her und beobachtete den Proprätor genau, als noch einmal die Hände gehoben wurden, um die Auszählung zu überprüfen. Als ihr das Ergebnis vorgelegt wurde, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Gosland, Atreska, Dornos, Gestern. Alle hatten sich gegen sie gewandt. Ebenso Tundarra und Phaskar. Sie konnte dankbar sein, dass Marschall Vasselis schließlich doch noch Partei für sie ergriffen und seine Delegation aus Caraduk für sie gewonnen hatte. Das hatte ihr eine gewisse Peinlichkeit erspart, ihr aber keineswegs Sicherheit geschenkt. Jetzt musste sie sich ausgerechnet auf einen höchst launenhaften Geist
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