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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck
Autoren: Conny Walden
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verlassen und waren ins Freie getreten. Bettler umringten sie. Lahme, Blinde, Verkrüppelte und in Lumpen gehüllte Gestalten, die vor einem Gotteshaus am ehesten auf die Barmherzigkeit der Menschen hofften. Ein Fuhrwerk, beladen mit so gewaltigen Steinbrocken, dass die Ochsen es kam zu ziehen vermochten, weshalb es von hinten noch von einem halben Dutzend kräftiger Männer geschoben werden musste, quälte sich über den Vorplatz des Doms.
    Einige Begleiter dieses Transports scheuchten die Bettler fort. »Aus dem Weg mit euch!« Etwa zwanzig Schritt entfernt wurden Steine behauen oder zersägt. Gleich daneben loderten Schmiedefeuer, und Drahtzieher gingen ihrer anstrengenden Arbeit nach, wobei sie das meiste von Ochsen oder Eseln verrichten ließen. Immer wieder musste der Stahl zwischen harten Flintsteinen hindurchgezogen und geschält werden, bis er so dünn war, dass man Ringe aus ihm biegen konnte, aus denen normalerweise Kettenhemden gemacht wurden. Aber hier dienten die Drähte einem anderen Zweck. Man zersägte mit ihrer Hilfe große Steine und erhielt Blöcke mit geraden Kanten, die sich problemlos vermauern ließen. Die Laute der Esel, die die über den Stein geführten Drahtseile immer wieder vor- und zurückziehen mussten, mischten sich mit den lauten Rufen der Vorarbeiter und den Hammerschlägen der Steinmetze, die die Feinarbeit zu machen hatten.
    »Ich bin Johanna von Dören, Tochter des Moritz von Dören, der zu den Gesandten aus Lübeck gehört«, sagte Johanna, denn auf einmal interessierte es sie doch, mit wem sie da im Dom zusammengestoßen war. Und ihr war klar, dass sie wohl kaum erwarten konnte, noch etwas zu erfahren, wenn sie nicht auch selbst etwas preisgab.
    »Von Dören? Der Name kommt mir bekannt vor. Habt Ihr nicht auch in Helsingborg eine Niederlassung betrieben? Allerdings ist es schon ein paar Jahre her, dass ich dort war.«
    »Es gibt ein Kontor der Schonenfahrer in Helsingborg, und mein Vater ist der Ältermann der Schonenfahrer-Bruderschaft.«
    »Insofern ist es also durchaus möglich, dass ich den Namen Eurer Familie schon gehört habe«, fühlte sich Frederik von Blekinge bestätigt. »Ich selbst kann mich leider nicht mehr an der Öresund-Küste blicken lassen, seit König Waldemar den ganzen Landstrich an sich gerissen hat. Die Besitzungen unserer Familie wurden eingezogen und der dänischen Krone übereignet. Mein älterer Bruder fiel im Kampf mit den Dänen …« Er seufzte, und zum ersten Mal wirkte der sonst so intensive Blick seiner blauen Augen nicht durchdringend, sondern eher in sich gekehrt. »Immerhin ist es gelungen, das Gehör des schwedischen Königs zu finden, dem unser Geschlecht immer treu gedient hat.«
    »Nun, vielleicht wendet sich hier in Köln Euer Geschick ja zum Guten, falls das große Bündnis gegen Waldemar zustande kommen sollte.«
    Frederik wog den Kopf zur Seite und wirkte äußerst skeptisch. »Das wäre mehr, als ich zu hoffen wage. Auf jeden Fall wird es mein König mit Sicherheit nicht noch einmal wagen, sich mit Waldemar anzulegen. Es sei denn, er findet so mächtige Verbündete, dass er damit rechnen kann, diesmal als Gewinner aus dem Krieg hervorzugehen.«
    »Niemand will etwas einsetzen, alle wollen etwas gewinnen«, sagte Johanna. »Und jeder versucht, den anderen auszunutzen, wie er kann.«
    »So ist die Hanse eben«, lachte Frederik. »Ein Haufen von Krämern und Händlern.«
    »Ein ehrbarer Kaufmann versucht immer, einen Handel zu beiderseitigem Vorteil abzuschließen, Frederik von Blekinge. Denn man weiß nie, ob man seinem Handelspartner nicht ein zweites Mal begegnet.«
    »Hehre Grundsätze«, gab Frederik nicht ohne einen spöttischen Unterton zurück. »Ich kann allerdings nicht sagen, dass alle lübischen Händler, die ich in Blekinge oder Schonen kennenlernte, danach verfahren wären.«
    »So habt Ihr die Falschen kennengelernt, wie ich Euch versichern kann.«
    Sie gingen weiter, gelangten schließlich in eine etwas breitere Gasse; als diese sich gabelte, blieb Johanna stehen. »Unsere Wege trennen sich jetzt«, sagte sie.
    »Ich hoffe, nicht zu lang.«
    »Das weiß der Herr.«
    »Nun, es könnte sein, dass wir uns in Zukunft öfter begegnen. Die Verhandlungen zum Hansetag haben ja erst begonnen, und so wie wir sind auch andere Delegationen gerade erst angekommen …«
    »… oder noch gar nicht eingetroffen.«
    Johanna spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Eigentlich wäre jetzt längst der Zeitpunkt gewesen, diesem
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