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Die Katzen von Ulthar

Die Katzen von Ulthar

Titel: Die Katzen von Ulthar
Autoren: H.P. Lovecraft
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stimmen, so wurden sie von jenen geschaffen, die viel über den ersten Torweg wußten. Aber lassen Sie mich weitererzählen.«
    Schließlich, so fuhr der Swami fort, hörte das Wiegen und der undeutliche Gesang auf, die funkelnden Strahlenkränze um die jetzt nach vom gesunkenen und reglosen Köpfe verblaßten, und die verhüllten Schemen sanken wunderlich auf ihre Piedestale hin. Die scheinbare Kugel jedoch pulsierte in unerklärlichem Licht weiter. Carter spürte, daß die Uralten nun wieder schliefen wie vorhin, als er sie zum erstenmal sah, und er fragte sich, aus welch kosmischen Träumen seine Ankunft sie gerissen hatte. Langsam dämmerte ihm, daß dies sonderbare Ritual eine Unterweisung gewesen war, und daß der Urälteste seine Gefährten in einen neuerlichen und absonderlichen Schlaf gesungen hatte, auf daß ihre Träume das Ultimate Tor öffneten, für das der Silberschlüssel einen Passierschein darstellte. Er wußte, daß sie in der Profundität dieses tiefen Schlafes über unausgeloteten Unermeßlichkeiten des extremen und absoluten Außenseins sannen, und daß sie ausführen würden, was durch seine Gegenwart erforderlich geworden war.
    Der Führer teilte ihren Schlaf nicht, sondern schien noch immer auf verborgene und lautlose Weise Instruktionen zu erteilen. Offensichtlich prägte er Bilder jener Dinge vor, die seine Gefährten träumen sollten: und Carter wußte, daß eine, für seine irdischen Augen sichtbare Manifestation geboren werden würde, wenn jeder der Uralten den vorgeschriebenen Gedanken träumte. Waren die Träume aller Schemen in eins geflossen, dann würde durch diese Vereinigung die Manifestation auftauchen und mit ihr all das manifest werden, was er benötigte. Er hatte derlei auf der Erde schon erlebt − in Indien, wo der vereinte Wille eines Adeptenzirkels einem Gedanken greifbare Substanz verleihen kann, und im altersgrauen Atlaanât, das nur zu nennen kaum jemand wagt.
    Was das Ultimate Tor genau war, und wie es durchschritten werden mußte, wußte Carter nicht mit Bestimmtheit; doch eine gespannte Erwartung wallte in ihm auf. Er spürte, daß er eine Art Körper besaß und den schicksalsschweren Silberschlüssel in der Hand hielt. Die vor ihm aufragenden Steinmassen wirkten so ebenmäßig wie eine Mauer, zu deren Zentrum seine Augen unwiderstehlich hingezogen wurden. Und dann fühlte er die mentalen Ströme des Urältesten plötzlich verebben.

115
    Zum erstenmal empfand Carter den Schrecken einer völligen, mentalen sowie physikalischen Stille. Die voraufgegangenen Momente hatte noch alle ein wahrnehmbarer Rhythmus durchdrungen, selbst wenn es nur das schwache, kryptische Pulsieren der dimensionsübergreifenden Extension der Erde gewesen war, doch jetzt schien das Schweigen des Abgrunds auf allem zu liegen. Trotz seines ahnbaren Körpers vernahm er kein Atemgeräusch, und der Glanz von 'Umr at−Tawils scheinbarer Kugel war wie versteinert und pulsierte nicht mehr. Ein mächtiger Strahlenkranz, heller als die Gloriolen, die um die Häupter der Schemen gespielt hatten, glänzte gefroren über dem verhüllten Schädel des entsetzlichen Führers.
    Schwindel ergriff Carter, und sein Gefühl der Orientierungslosigkeit wuchs ins Tausendfache. Die eigenartigen Lichtfluten, schienen die Qualität massierter, undurchdringlicher Schwärze zu besitzen, während die Uralten auf ihren so nahen pseudo−hexagonalen Thronen ein Hauch bestürzender Entrücktheit umgab. Dann fühlte er sich in unermeßliche Tiefen getragen, wo warme, duftende Wellen gegen sein Gesicht schlugen. Ihm war, als treibe er in einem brennenden, rosenfarbigen Meer; in einem Meer aus berauschendem Wein, dessen Wellen sich schäumend an Küsten aus loderndem Feuer brachen. Große Furcht packte ihn, als er verschwommen sah, wie dies gewaltige, wogende Meer gegen seine weitentfernten Küsten brandete. Doch der Augenblick der Stille war durchbrochen − die Wogen redeten zu ihm in einer Sprache die auf physikalische Laute oder artikulierte Worte verzichtete.
    »Der Wahrheitsliebende ist jenseits von Gut und Böse«, intonierte eine Stimme, die keine war. »Der Wahrheitsliebende ist ins Alles−Ist−Eins getrieben. Der Wahrheitsliebende hat gelernt, daß Illusion die Einzige Realität ist und Wirklichkeit die Große Betrügerin.«
    Und jetzt erschien in dem aufstrebenden Mauerwerk, das seine Augen so unwiderstehlich angezogen hatte, der Umriß eines titanischen Torbogens, nicht unähnlich dem, den er vor solangem in jener
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