Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Katze

Titel: Die Katze
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
Vom Netzwerk:
aber jetzt nicht mehr. Dafür passierte es einfach zu oft. »Wir sehen uns um acht«, sagte er und kreuzte um Mitternacht auf. »Ich komme am Freitag um sechs zum Abendessen«, versicherte er und erschien am darauffolgenden Montag zum Mittagessen. Charley wusste schon seit Jahren von den Drogen. Sie hatte gehofft, das Wiederauftauchen ihrer Mutter könnte helfen, seinem Leben eine Wende zu geben. Aber nach beinahe zwei Jahren weigerte Bram sich nach wie vor, irgendetwas mit ihr zu tun zu haben. Wenn überhaupt, ging es ihm jetzt noch dreckiger als vorher.
    »Klopf, klopf«, sagte eine Frau hinter Charleys Schreibtisch.
    Charley drehte sich mit ihrem Stuhl um und sah Monica Turnbull vor sich stehen, Anfang zwanzig, pechschwarze, kurze Haare, einen Silberring im linken Nasenloch und Finger mit blutroten Nägeln, die einen schlichten weißen Umschlag hielten.

    »Sie haben Post«, zwitscherte Monica. »Und ich meine nicht den virtuellen Scheiß. Ich meine einen echten Brief.« Sie ließ den Umschlag in Charleys ausgestreckte Hand fallen.
    Charley starrte auf die mädchenhafte Handschrift auf der Vorderseite und stutzte, als sie den Absender las. »Pembroke Correctional. Ist das nicht ein Gefängnis?«
    »Sieht so aus, als hätten Sie einen Fan.«
    »Das hat mir gerade noch gefehlt.« Das Telefon klingelte. »Danke«, sagte Charley, als Monica ihr beim Gehen zuwinkte. »Charley Webb«, meldete sie sich.
    »Hier ist Glen McLaren. Ich habe Ihren Bruder.«
    »Was?«
    »Sie wissen, wo Sie mich finden.«
    Und dann brach die Verbindung ab.

KAPITEL 3
    »Wo ist mein Bruder?«, fragte Charley, als sie durch die schwere Eingangstür des Prime platzte, des Schickimicki-Nachtclubs, der als der momentan angesagteste Hot-Spot von Palm Beach galt. Im Prime tummelten sich überwiegend junge, überwiegend reiche und überwiegend schöne - beziehungsweise durch ihr Geld zu Schönheiten geadelte - Gäste, trafen ihresgleichen, schüttelten fotogen ihr stufig geschnittenes Blondhaar, präsentierten ihre in die neueste Designer-Mode gewandeten Körper und kamen mit alten Freunden, zukünftigen Geliebten und diskreten Dealern zusammen. In einer nicht allzu schmeichelhaften Kolumne aus jüngerer Zeit hatte Charley das Lokal »Prime Meat« genannt, was ihr für einen Umschlagplatz für Frischfleisch durchaus angemessen schien und der ständig wachsenden Popularität des Clubs auch absolut keinen Abbruch getan hatte.
    Zum ersten Mal hatte Charley das Prime in den frühen Morgenstunden an einem Wochenende Ende Oktober besucht. Wie die meisten Leute ihres Alters hatte sie die Mischung aus Spiegeln und Mahagoni, lauter Musik und gedämpfter Beleuchtung, teurem Parfüm und schwitzenden wohlgeformten Körpern unglaublich verführerisch gefunden. In den fünf Minuten, die sie gebraucht hatte, um sich durch die Menge der unauffällig teuer ausstaffierten Gäste zu der auffällig teuer ausgestatteten Bar vorzukämpfen, die die gesamte linke Seite des Raumes einnahm, war sie von einem Trio attraktiver Männer, einer Frau
mit unechten Ballonbrüsten und einem ganzen Chor scheinbar körperloser Stimmen angesprochen worden, die alles von Ecstasy bis Heroin feilboten. »Was immer Sie wollen, ich hab es«, hatte jemand in Charleys Ohr gesäuselt, während ein junges Society-Girl, noch mit Krümeln von weißem Pulver in den Nasenlöchern, auf hohen Absätzen schwankend an ihr vorbeistöckelte. Lärm und Lachen folgten Charley an die Bar, streunende Hände grabschten achtlos nach ihrem Po, und das andauernde Wummern der Musik blockierte jeden vernünftigen Gedanken. Charley hatte begriffen, wie leicht es wäre, sich der Sinnlosigkeit des Ganzen einfach hinzugeben, zu tanzen, sich treiben zu lassen, zu verdrängen … alles.
    Ich denke nicht. Also bin ich nicht.
    Es war so verlockend gewesen.
    Aber im unschmeichelhaften Licht eines verregneten Vormittags strahlte der Raum wenig von dem Glanz und der Dekadenz dieses nächtlichen Treibens aus. Er wirkte leblos, wie ein überbelichtetes Foto. Bloß ein weiterer leerer Raum mit verlassenem Tanzparkett. In der rechten Ecke drängten sich zwanzig Tische mit jeweils vier Stühlen für Gäste, die tatsächlich etwas essen wollten, im übrigen Raum waren kleine Stehtische mit jeweils zwei Barhockern verteilt, bewacht von Bronzestatuen nackter gesichtsloser Frauen, die, die Ellbogen angewinkelt, die Handflächen vorgestreckt, mit den Fingern in einer Geste totaler Kapitulation zur etwa sieben Meter hohen Decke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher