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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin
Autoren: Iny Lorentz
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heiligen Lieder singen dürfen. Was du da tust, ist eine ganz schwere Sünde. Pater Lorenzo sagt, dass der heilige Apostel Paulus den Frauen verboten hat, zu singen. Weiber müssen in der Kirche den Mund halten. Das hat er an die Korinther geschrieben, so steht es in der Heiligen Schrift. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich davon abgehalten habe, weiter gegen Gottes Gebot zu verstoßen.«
    Wütend musterte Giulia ihren Peiniger. Ludovico war der einzige einheimische Knabe, der die Gnade erlangt hatte, in den Chor von Saletto einzutreten. Die anderen Sängerknaben waren von Pater Lorenzo ausgewählt worden, der im Auftrag des Abtes in ganz Umbrien nach den besten Stimmen gesucht hatte. Da Ludovico aus Saletto stammte, war er so etwas wie der Liebling des Grafen, und das nutzte er weidlich aus. Er verhöhnte die anderen Kinder, verprügelte die Kleineren und streckte den Älteren die Zunge heraus, weil er genau wusste, dass es niemand wagen durfte, ihm etwas anzutun. Ein Hieb mit der Reitgerte Graf Gisibertos war das Geringste, was derjenige zu erwarten hatte, der Hand an Ludovico legte. Giulia hatte mehr als einmal miterlebt, wie der Graf jemand züchtigte, und war froh, nicht mit einem Stein nach dem Burschen geworfen zu haben. Wenn Gisiberto Corrabialli zuschlug, machte er keinen Unterschied, ob er einen Mann, eine Frau oder ein Kind vor sich hatte.
    Ihr Quälgeist war nicht abzuschütteln. Ludovico grub eine weitere Hand voll Schlamm aus dem Bach und drohte ihr damit. »Eigentlich sollte ich deine gesamte Bleichwäsche dreckig machen, weil du es gewagt hast, mein Lied mit deiner jämmerlichen Stimme nachzuahmen. Bitte mich auf Knien um Verzeihung, sonst tue ich es wirklich.«
    Giulia merkte, dass es ihm ernst war, und versteifte sich. Dieser Erpressung würde sie nicht nachgeben, und wenn sie zu Hause noch so viele Schläge einstecken musste.
    Ludovico begriff, dass er Giulia so nicht beikommen konnte, und blickte unschlüssig auf den Schlamm in seiner Hand. Es machte zwar Spaß, Giulias Wäsche zu beschmutzen und sich über die Strafe zu freuen, die sie zu Hause erwarten würde, doch es war keine richtige Befriedigung für ihn, da ihm das Schauspiel entgehen würde. Er betrachtete ihre feste, kleine Gestalt und leckte sich die Lippen. Diesem Weiberrock würde er beibringen, was es hieß, sich mit ihm anzulegen.
    Bei dem Gedanken an das, was Giulia unter ihrem Kittel hatte, verspürte er ein leichtes Ziehen in der Lendengegend, das ihn auch schon ein paarmal überkommen hatte, als er mit anderen Chorknaben heimlich nackt im Teich geplanscht hatte. Er schnaufte kräftig durch und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich weiß etwas Besseres. Komm mit mir ins Gebüsch und zieh deinen Kittel aus. Ich will sehen, wie du darunter aussiehst. Du darfst auch mein Glied sehen und es in die Hand nehmen. Wenn du das tust, lasse ich deine Wäsche in Ruhe.«
    In seiner Stimme klang ein kratzender Unterton, der Giulia in den Ohren wehtat. Sie war so empört, dass sie kaum darauf achtete. Es war schon mehr als ungehörig, wenn ein Junge einem Mädchen unter den Rock schaute. Von ihr zu verlangen, sich auszuziehen, war eine große Sünde, sicher eine viel größere als das Nachsingen kirchlicher Lieder. »Bitte, mach die Wäsche ruhig schmutzig. Ich werde meiner Mutter sagen, dass du es getan hast, und sie wird es deiner Mutter erzählen.«
    Giulia fühlte sich bei weitem nicht so mutig, wie sie sich gab. Sie hoffte, Ludovico wusste nicht, dass ihre Mutter krank war und das Haus kaum mehr verließ. Sicher würde sie den weiten Weg bis zur Mühle nicht mehr zurücklegen können, um sich bei der Müllerin über deren Sohn zu beschweren, sondern kurzerhand ihr, Giulia, die Schuld an allem geben und sie bestrafen.
    Zu ihrer Erleichterung wusste Ludovico tatsächlich nicht Bescheid. Er kaute auf seinen Lippen herum und dachte an seine Mutter, die sich im Gegensatz zum Vater nicht von der hohen Ehre beeindrucken ließ, die der Graf ihm erwiesen hatte. Wenn sie der Ansicht war, dass er ein paar Ohrfeigen verdient hatte, würde sie sie ihm zukommen lassen. »Du bist ein gottloses Miststück! Eine Hexe, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte.« Er zeigte Giulia in hilfloser Wut die Fäuste, drehte sich um und stapfte davon.
    Nach ein paar Schritten bemerkte er, dass seine Hände voller Schlamm waren, und wischte sie sich unwillkürlich an seinem Chorhemd ab. Dann begriff er, was er getan hatte, und fluchte, wie er es
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