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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman
Autoren: Lenos Verlag
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Wie auf dem Laufsteg. Ein Sternchen, eine Flocke, frivol ausgeleuchtet von einer Lasershow, die mich als Regentin blamierte und quasi auf eine Stufe stellte mit Paris Hilton. Ich war steif wie ein Brett, dachte an Marschmusik und marschierte. So viel Trotz muss manchmal sein, Kranich.«
    Einen Moment lang überlegte sich Kranich, ob er etwas offensiv werden und die Kanzlerin beispielsweise fragen sollte, ob sein Eindruck stimme, dass sie in jüngster Zeit mit manchen Politikern flirtete oder zumindest gelegentlich diesen Eindruck erweckte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte in einem Kommentar (Damenwahl) geschrieben, der Instinkt der Kanzlerin habe sie in den Anfängen ihrer Amtszeit daran gehindert, die Frauenkarte zu ziehen, um sich so abzugrenzen von ihrem zigarrenrauchenden Vorgänger Schröder. Doch die Kanzlerin arbeite an ihrem Bild, sei sozusagen auf dem Weg dazu, eine Frau zu werden. Tatsächlich war auch Kranich verblüfft, als er bei einer Morgenbesprechung auf der Titelseite von Bild direkt in ein tief ausgeschnittenes Dekolleté geblickt hatte – es gehörte der Kanzlerin. Vorgezeigt bei der Eröffnung der Osloer Oper. Kranich schaute die Kanzlerin an und erweckte sofort ihr Misstrauen.
    »Nehmen Sie Drogen, Kranich?«
    »Nein, warum?«
    »Sie haben schon wieder glasige Augen.«
    »Ich habe ebenfalls schlecht geschlafen, Frau Kanzlerin, und auch wenn ich mich an meine Träume nicht mehr erinnern kann – es waren ebenfalls keine guten.«
    »Was ich Ihnen jetzt sage, Kranich, bleibt unter uns – was insofern eine müssige Einleitung ist, weil wir immer unter uns sind, wenn wir unter uns sind, Kranich, aber darauf kann ich mich ja verlassen. Es gibt bei dieser erwähnten Katzenmusik noch einen ganz besonders falschen Ton, der mir zu denken gibt.«
    Die Kanzlerin wirkte plötzlich nervös und ein bisschen fahrig. »Der Nicolas«, fuhr sie fort, »hat mich beim Nachtisch, der übrigens sehr lecker war, über einen Umstand informiert, der möglicherweise besorgniserregend ist. Und darum bitte ich Sie jetzt, den Raum zu verlassen, weil ich mich ganz gern vergewissern und darum ein Gespräch mit dem geschätzten Herrn Brack führen möchte. Und möglicherweise noch ein weiteres Gespräch mit Herrn Puller.«
    Jens Brack war der Chef des Bundeskriminalamtes BKA, Martin Puller der Chef des Bundesnachrichtendienstes BND.
    »Machen Sie sich keinen Kopf, Kranich«, rief die Kanzlerin noch, bevor er den Raum verliess. »Die Terroristen können froh sein, dass es so viele Terrorbekämpfer gibt – man hätte sie sonst schon längst vergessen. Also kein Grund zur Beunruhigung, schlafen Sie sich aus, damit Sie mir nicht mehr so glasig kommen. Herr Kranich, so schöne blaue Augen hat nicht jeder.« Sagte sie, und es zwitscherte. Seit ein paar Wochen hatte sie einen neuen SMS-Signalton und freute sich kindisch darüber, wenn die Amsel pfiff oder die Lerche oder die Meise – Kranich kannte sich da nicht aus. Ein Kuckuck jedenfalls war es nicht. Kranich bemerkte, dass die Kanzlerin verblüfft war.
    »Sagen Sie mal, Herr Kranich: Passt die Farbe Grün zu mir?«
    »Grün passt zu allen Frauen, die Macht haben.«
    »Herr Kranich, diese Antwort befriedigt mich darum nicht,weil ich mir ja nicht zufällig mehrere grüne Kostüme habe fertigen lassen. Das können Sie mir schon attestieren, dass ich mir gelegentlich was denke, aber vielleicht bekomme ich von Ihnen eine Antwort, wenn ich die Frage persönlich stelle und Sie, wenn Sie erlauben, also frage: Johannes, passt Grün zu mir?«
    »Frau Kanzlerin, Grün ist grundsätzlich eine giftige Farbe.«
    »Danke, Johannes.«
    »Aber man sagt auch, es grünt. Die Natur ist grün, manchmal. Und grün soll die Hoffnung sein.«
    »Kranich, ja oder nein?«
    »Frau Kanzlerin, nein. Grün macht Sie bleich.«
    »Und trotzdem werde ich mich heute nicht mehr umziehen, mein Lieber, auch wenn Sie offenbar nicht der Einzige sind, der sich modische Gedanken macht.« Sie blieb mitten im Raum stehen, fasste sich an die Nase, dann schaute sie ihm direkt in die Augen. »Herr Kranich, haben Sie manchmal Angst?«
    Kranich überlegte nur kurz. »Nein«, sagte er.
    »Ich schon, Kranich«, erwiderte sie.

» H err Brack, mir ist da was zu Ohren gekommen.«
    »Frau Kanzlerin, worum geht es?«
    »Dem Bundeskriminalamt liegen – zufälligerweise – keine Erkenntnisse vor, aus denen man schliessen könnte oder sogar müsste, dass ein Attentat auf ein hochrangiges Mitglied dieser Regierung
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