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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman
Autoren: Lenos Verlag
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daran lässt, dass sie am Ziel der Haushaltssanierung festhalten wird. Und zwar unter allen Umständen. Aber du, Karl-Heinz, vor allem du gehörst mittlerweile zu jenen Umständen, denen ich mich müssigerweise ausgesetzt sehe. Wir sitzen hier ungestört, jeder kann sagen, was er will, aber jeder muss auch wissen: Ich habe absolut keine Lust mehr, fast täglich in irgendeiner Journaille von Geld zu lesen, das ihr ausgeben wollt, das ich aber leider nicht habe.«
    »Niemand hier im Raum, soweit ich sehe« – Pils blickte sich vorsichtig um –, »hat im Ernst die Absicht, dein Sparziel anzuzweifeln, lieber Kiki Ritz, oder gar zu sabotieren …«
    »Stopp, Karl-Heinz, oder wenn wir uns schon bei den vertrauten Spitznamen ansprechen wollen: Stopp, KaHa, sag ich, und entschuldige mich für diese nicht unfreundlich gemeinte Unterbrechung, aber: Es ist nicht mein Sparziel, es geht um eine generelle politische Grundlinie dieser Koalition, und soweit ich informiert bin, gehört dazu auch die Sozialdemokratische Partei.«
    »Also, Kiki Ritz, nun wollen wir mal etwas sorgfältiger umgehen mit diesen Pointierungen, die dir eigen sind und die auch mir – zugegebenermassen – nicht selten Freude bereiten. Trotzdem ist es eine Tatsache, dass sich auf Grundlage von Zahlen eines Finanzministers keine Wahlen gewinnen lassen. Und Tatsache ist auch, dass unsere politischen Gegner, diese Christentruppe, vor allem aber auch die Linke de la Mares, gewaltig Druck machenund …« Der Fraktionschef hustete, befeuchtete sich dann die Lippen, und Ritz dachte: Ich mag seinen Atem. Ich mag die Art und Weise, wie er atmet. Der Mann ist alt, hat vielleicht auch nicht mehr so viel Luft, aber er lässt den andern ihren Raum.
    »Wie auch immer«, fuhr Grimm fort, »Vorwürfe sind hier völlig fehl am Platz, und für Panik gibt es keinen Grund. Der bayerische Löwe brüllt. Und auch die Opposition will, dass der Staat zurückgibt, was er genommen hat …«
    Der Finanzminister fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, und feuerte zwei kurze Sätze ab: »Erstens, Genosse Grimm, hat der Staat kein Geld, das die Bürger zu Recht zurückfordern dürfen. Und zweitens: Wenn der Staat seinen Bürgern alles geben möchte, was er ihnen einmal genommen hat, dann gibt es diesen Staat nicht mehr.«
    »Um sachlich zu werden«, sagte Engel, wie immer etwas zu munter und forsch, »nehmen wir den Klimaschutz. Nehmen wir das, was die Regierung an Geldern dafür fest zugesagt hat. Wir können den Leuten nicht sagen: Klimaschutz hat oberste Priorität, aber leider können wir uns diese Wichtigkeit nicht leisten. Und wir können den Leuten auch nicht sagen: Ihr habt immer weniger Netto in der Tasche, und der Staat muss dieses Netto noch kleiner machen, weil es zum Beispiel den Klimaschutz gibt. Wir haben es also mit Widersprüchen zu tun.«
    Ritz stockte der Atem. »Widersprüchen widerspreche ich grundsätzlich nicht, lieber Lothar, und Zeit für Geplauder habe ich nicht. Es wäre also angebracht, auf einen Punkt zu kommen. Entweder machen wir vor der Wahl Steuergeschenke, oder wir machen solide Politik in der Hoffnung, dass der Wähler das honoriert. Es gibt ein Entweder, und es gibt ein Oder, und etwas anderes gibt es nicht, und ich will wissen, wie die Fraktion sich dazu verhält.«
    Grimm vermisste seine Pfeife. Abgesehen davon, dass der Arztihm die Raucherei strikt verboten hatte, gab es in Deutschland seit Jahren eh nur noch einen einzigen bekennenden Pfeifenraucher: den Literaturnobelpreisträger, das schlechte Gewissen der Republik, mit sich selbst aber stets im Reinen und leider nicht davon abzuhalten, sich nach wie vor laut zur Sozialdemokratie zu bekennen, was Grimm ärgerte. »Wir werden nach dieser Wahl so oder so nicht mehr an der Regierung sein. Entscheidend ist also nur, welchen Eindruck unsere Partei hinterlässt, bei allen Widersprüchen, die es nun mal gibt, da hat Genosse Engel sicher recht. Persönlich bin ich für Steuersenkungen, Kiki – lange kannst du sowieso nicht mehr sparen.«
    Es gibt nur wenige Menschen, die sich räuspern, um auf sich aufmerksam zu machen. Pils war so einer. »Auch wenn es nicht eigentlicher Inhalt dieses Gesprächs ist, möchte ich doch davor warnen, die kommende Wahl allzu salopp als verloren darzustellen, auch wenn das nur im engsten Kreis geschehen sollte. Wir alle sind keine Hellseher. Ich kenne meine Umfragewerte und die der Partei auch. Ich weiss, dass wir in einer beschissenen Situation sind, aber
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