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Die Kampagne

Titel: Die Kampagne
Autoren: David Baldacci
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Besonderen.«
    Katie öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.
    »Trinkst du deshalb so viel?«, fragte Shaw leise, den Blick nun auf die herbstbunten Bäume gerichtet.
    Katie schob die Hände in die Manteltaschen und scharrte mit der Stiefelspitze im Boden. »Sein Name war Behnam. Er war ein kleiner Junge, aus dem bestimmt ein feiner Mann geworden wäre, aber er bekam nie die Chance. Er starb, und es war meine Schuld. Ich bekam meinen zweiten Pulitzerpreis, und Behnam endete in einem Erdloch außerhalb von Kandahar.« Sie atmete tief durch. »Und ja, deshalb trinke ich.«
    »Du wirst ihn nie vergessen, nicht wahr?«
    Katie schüttelte den Kopf. »Niemals. Ich kann nicht.« Sie schluckte ein Schluchzen hinunter.
    »Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte Shaw und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Leb wohl, Katie. Pass auf dich auf.«
    Shaw drehte sich um und ging davon. Schon nach ein paar Sekunden verschwand er aus Katies Blickfeld.
    Katie stand allein zwischen den Toten. Sie schaute auf Annas Grab, bückte sich und stellte die Blumen, die Shaw gebracht hatte, näher an den Grabstein heran. In den wenigen Worten, die dort eingemeißelt waren, sah Katie das Leben und die Erinnerung an die bemerkenswerte Frau und das Bild des Mannes, der sie im Leben geliebt hatte und im Tod noch immer liebte.
    Schließlich erhob Katie sich von der geweihten Erde, drehte sich um und kehrte langsam in die Welt der Lebenden zurück.
    Und dann rannte sie los.
    Beim Geräusch der schnellen Schritte, die er hinter sich hörte, drehte Shaw sich um. Überraschung spiegelte sich auf seinem Gesicht, als er sah, wer da kam.
    »Was ist?«, fragte er. »Alles in Ordnung?«
    »Mir ist gerade eingefallen«, keuchte Katie, atemlos vom schnellen Lauf, »dass ich nicht weiß, wie ich von hier wegkommen soll ...«
    »Ich kann dich fahren.« Shaw blickte auf die Uhr. »In gut anderthalb Stunden können wir in Frankfurt sein. Von da kannst du eine Maschine nach New York nehmen. Vielleicht bist du sogar noch rechtzeitig zum Mitternachtssnack in deinem Lieblingslokal.«
    »Ich will aber nicht nach New York.«
    »Sondern?«
    »Ich habe mein gesamtes Erwachsenenleben lang aus dem Koffer gelebt, und jetzt habe ich keinen Job mehr ...«
    »Vermutlich könntest du jetzt wirklich Christina Amanpours Job bei CNN bekommen.«
    »Den will ich nicht mehr.«
    »Was willst du dann?«
    »Mit dir fahren.«
    »Okay, aber wohin?«
    »Darüber können wir unterwegs reden.«
    Sie schauten einander an. Katies Augen glänzten, und Shaws Blick wanderte langsam zu Boden. Schließlich sagte er zögernd: »Katie, ich kann nicht ...«
    Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Ich weiß, Shaw. Hättest du etwas anderes gesagt, wäre ich längst gegangen. Das will ich aber auch nicht.«
    »Was willst du dann?«
    Katie schaute in die abendliche Dunkelheit, die sich über Wisbach gelegt hatte, ehe sie sich wieder zu Shaw umdrehte. Als sie sprach, klang ihre Stimme gepresst, als würde sie vom Gewicht ihrer Worte beinahe zerdrückt.
    »Ich bin Alkoholikerin. Ich habe keinen Job. Ich habe kaum Freunde. Um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt keine richtigen Freunde. Und ich habe Angst, Shaw. Ich habe schreckliche Angst, das könnte es für mich gewesen sein. Und wenn du mir jetzt sagst, ich soll mich zur Hölle scheren, dann sage ich dir, dass wir beide schon dort gewesen sind ... Und es ist wirklich so übel, wie jeder glaubt.«
    Der Wind ließ das Laub in den Bäumen rascheln, und überall um sie herum legten die guten Leute von Wisbach sich zur Nachtruhe nieder, während Katie und Shaw einander schweigend anschauten. Es war, als hätte keiner von beiden den Mut, den Atem oder das Herz, etwas zu sagen.
    Schließlich sagte Shaw leise: »Gehen wir.«
    Sie drehten sich um und gingen die stille Straße hinunter.
    Wohin genau, wussten beide nicht.

Anmerkung des Autors
    Der Begriff »Perzeptionsmanagement« hat mittlerweile Eingang in den allgemeinen Sprachschatz gefunden. Das US-Verteidigungsministerium definiert den Begriff sogar in einem seiner Handbücher; also scheint das Militär dieses Thema sehr ernst zu nehmen. Eine ganze Reihe von PR-Firmen bieten mittlerweile Perzeptionsmanagement an, kurz PM. Allerdings hat es den Anschein, als gäbe es noch keine ausgewiesenen Spezialisten, die sich perfekt auf diesen Job verstehen. Wenn man eine wirklich große Lüge erschaffen will, muss man offenbar darauf spezialisiert sein.
    PMs sind keine Spin Doctors, denn sie verdrehen keine
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