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Die Jagd nach dem Meteore

Die Jagd nach dem Meteore

Titel: Die Jagd nach dem Meteore
Autoren: Jules Verne
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geschickter Mann.
    – Und ein braver Mann obendrein.«
    Es war ja wirklich möglich, daß das für jenen Reiter der Grund seiner Anwesenheit in Whaston war. Schon mehrmals hatte er vor der Tür John Proths sein Pferd pariert, doch ohne aus dem Sattel zu steigen. Er sah nur die Tür an und warf einen Blick nach den Fenstern des Hauses hinauf, blieb aber ruhig sitzen, so als ob er erwarte, daß jemand auf der Schwelle erschiene, bis ihn sein vor Ungeduld mit den Füßen stampfendes Pferd weiter zu reiten nötigte.
    Als er dann wieder einmal an derselben Stelle hielt, öffnete sich plötzlich die Haustür und es zeigte sich ein Mann auf dem Absatz der kleinen Freitreppe, die nach dem Trottoir hinunterführte.
    Kaum hatte der Fremde den Erschienenen bemerkt, als er sich schon, den Hut lüftend, an diesen mit den Worten wandte: »Herr John Proth, wenn ich nicht irre?
    – Der bin ich, antwortete der Richter.
    – Nur eine einfache Frage, die von Ihrer Seite nichts weiter als ein Ja oder Nein verlangt.
    – Und die lautet?…
    – Ist wohl heute früh schon jemand bei Ihnen gewesen, der nach Mister Seth Stanfort gefragt hat?
    – Daß ich nicht wüßte.
    – Danke bestens.«
    Der Reiter nahm hierbei nochmals den Hut ab, ließ den Zügel lockerer und trottete in kurzem Trab die Exeterstraße hinaus.
    Jetzt unterlag es – so urteilte man allgemein – keinem Zweifel mehr, daß der Unbekannte mit John Proth etwas zu tun hatte. Nach der Art und Weise, wie er seine kurze Frage stellte, war er offenbar selbst jener Seth Stanfort, der zu der bestimmten Zusammenkunft zuerst eingetroffen war. Nun gab es aber auch noch ein interessantes Rätsel zu lösen: War die Stunde des Zusammentreffens jetzt schon endgültig verpaßt, und würde der unbekannte Reiter die Stadt verlassen, um nicht wieder dahin zurückzukehren?
    Da wir uns in Amerika, d. h. bei dem allerweillustigsten Volke befinden, das es hienieden gibt, wird man ohne Schwierigkeit glauben, daß bezüglich der baldigen Wiederkehr oder des endgültigen Weggangs des Fremden zahlreiche Wetten abgeschlossen wurden, Wetten um einen halben Dollar bis hinunter auf fünf bis sechs Cents – zwischen dem Personal der Hotels und den auf dem Platze zusammengeströmten Neugierigen – höhere nicht, die Beträge würden aber von den Verlierenden prompt bezahlt, und von den Gewinnern – es waren alle höchst ehrenwerte Leute – schmunzelnd eingestrichen werden.
    Der Richter John Proth hatte sich begnügt, dem Reiter, der sich der Wilcox-Vorstadt zuwendete, mit den Blicken zu folgen.
     

    Das Haus des Richters John Proth.
     
    Er war ein Philosoph, der Amtsrichter John Proth, ein kluger Beamter, der, so könnte man sagen, schon volle fünfzig Jahre Klugheit und Philosophie in sich aufgestapelt hatte, obgleich er selbst erst ein halbes Jahrhundert alt war, d. h. also, daß er schon ein Weiser und ein Philosoph in der Stunde war, wo er das Licht der Welt erblickte. Hierzu nehme man, daß sein Leben als Hagestolz – ein weitrer unbestreitbarer Beweis von Klugheit – nie von Sorgen getrübt worden war, was doch, das wird jedermann zugeben, die praktische Verwertung der Philosophie wesentlich erleichtert. In Whaston geboren, hatte er, selbst in den Jugendjahren, seine Vaterstadt kaum je oder überhaupt niemals verlassen, und hier wurde er von allen, die zu seinem Gerichtssprengel gehörten und die seine vortrefflichen Eigenschaften kannten, ebenso geliebt wie aufrichtig verehrt.
    Von geradsinnigem Charakter, erwies er sich stets nachgiebig gegen die Schwächen, zuweilen sogar gegen die Fehler andrer Leute, und faßte seine Aufgabe nur als die Verpflichtung auf, die ihm zur Entscheidung vorliegenden streitigen Angelegenheiten auszugleichen, die Parteien, die vor seinem Tribunal erschienen, versöhnt heimzuschicken, alle Ecken und Kanten abzurunden, jedes Räderwerk gleichsam zu ölen und die in jeder, selbst der vollkommensten gesellschaftlichen Ordnung unausbleiblichen Stöße nach Möglichkeit zu mildern.
    John Proth erfreute sich eines gewissen Wohlstands. Wenn er die Funktionen eines Richters erfüllte, so geschah das eigentlich nur aus Liebhaberei, und es kam ihm niemals der Gedanke, eine höhere Stellung zu erstreben. Er liebte die Ruhe, für sich und für andere, und betrachtete die Menschen alle als nahe Nachbarn, mit denen man alle Ursache hat, immer auf gutem Fuße zu stehen. Früh auf und zeitig zu Bett war seit langem seine Gewohnheit. Wenn er auch einige Lieblingsautoren der
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