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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven
Autoren: Sarah Lark
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ihn anzog, war allein Deirdre Fortnam.
    Quentin war weit gereist. Seine Familie hatte ihm eine traditionell englische Erziehung angedeihen lassen und obendrein eine Europareise geschenkt, bevor er nach Jamaika zurückgekehrt war. Aber nie hatte er irgendwo ein schöneres Mädchen gesehen als die Tochter seiner Nachbarn. Allein diese Haut – Sahne mit einem Schuss Kaffee darin, zart und seidig. Quentin sehnte sich danach, sie zu berühren. Und ihr seltsames Haar … es war schwarz, jedoch weder glatt oder großlockig, noch wirklich kraus. Sehr viel feiner als das aller anderen Schwarzhaarigen, die er kannte, fiel es kaskadenartig in winzigen Ringellocken über ihren Rücken. Und dann ihre Augen! Sie wirkten wie Smaragde, geschützt von irritierend langen tiefschwarzen Wimpern. Dazu sprühten sie Feuer! Wie jetzt, als Deirdre ihn anblitzte.
    »He, das klingt ja, als wäre ich nur Dekoration auf meinem Pferd!«, rügte sie. »Dabei will Alegría geritten sein! Können Sie gern mal ausprobieren, aber ich sag’s Ihnen, wenn Sie nicht wirklich reiten können, schaffen Sie es nicht, Alegría vor Kingston wieder anzuhalten!«
    Die junge Frau streichelte den Hals ihrer Stute, die eigentlich ganz entspannt und umgänglich schien. Keensley war sich sicher, dass Deirdre übertrieb. Tatsächlich hätte er dem kleinen Pferd aber auch kein solches Höllentempo zugetraut, wie es eben vorgelegt hatte.
    »Ich verbeuge mich vor Ihrer Reitkunst wie vor Ihrer Schönheit!«, erklärte er jetzt mit entschuldigendem Lächeln und senkte den Kopf.
    Er hätte gern noch den Hut gezogen, aber sein Dreispitz war ihm schon zu Anfang des wilden Rittes verloren gegangen. Er würde gleich einen Sklaven hinausschicken müssen, um das gute Stück zu suchen.
    Deirdre lenkte ihr Pferd nun um das Haus ihrer Eltern herum, einen verspielten Bau im Kolonialstil, der sie als Kind an ein Schloss erinnert hatte. Es gab Türmchen, Veranden und Balkone, gestrichen in Blau und Gelb, den Lieblingsfarbenihrer Mutter, und mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Cascarilla Gardens bildete selbst Tischler und Holzschnitzer aus. Die Sklaven hier hatten sehr viel mehr Kinder als auf anderen Pflanzungen – Doug Fortnam akzeptierte Ehen unter seinen Leuten. Er riss keine Familien auseinander, indem er Männer, Frauen und Kinder einzeln verkaufte. Genau genommen verkaufte Doug überhaupt keine Sklaven. Wer auf Cascarilla Gardens geboren wurde, hatte hier Heimatrecht. Das war gut, da unter diesen Bedingungen fast nie jemand fortlief. Für all die jungen Schwarzen mussten jedoch Beschäftigungen gefunden werden.
    Deirdre und Quentin trabten am Gartenzaun der Fortnams entlang, der ein weitläufiges, schon festlich geschmücktes Anwesen umgab. Die Gesellschaftsräume von Cascarilla Gardens gingen in die Gartenanlagen über, bei schönem Wetter wurden die weiten Türen des Tanzsaals geöffnet, und die Gäste konnten draußen sitzen oder sich zwischen den Bäumen und Blumenbeeten ergehen. Nora Fortnam war eine große Freundin der jamaikanischen Pflanzenwelt. Sie legte all ihren Stolz darein, möglichst viele Orchideenarten der Insel in ihrem Garten zu züchten, hätschelte ihre Accarabüsche und duldete auch die allgegenwärtigen bis zu zehn Meter hohen Cascarillas, die der Plantage ihren Namen gegeben hatten. Ein riesiger Blauer Mahoe beherrschte den Garten und bot im Sommer Schatten. Jetzt hingen Lampions in seinen Zweigen.
    »Ist das nicht schön?«, freute sich Deirdre und wies auf die Dekoration. »Den Garten habe ich gestern mit den Hausmädchen und meinen Brüdern zusammen geschmückt. Sehen Sie den roten Lampion da oben? Das ist meiner, den habe ich gebastelt!«
    »Sehr … hübsch …«, kommentierte Keensley verhalten. »Sie sollten sich Ihre Hände jedoch nicht durch Hausarbeit verderben …« In Quentins Familie hätte eine Lady die Sklaven allenfalls dabei beaufsichtigt, den Garten zu dekorieren. Und ganz sicher hätte sie sich nicht an der Herstellung der Lampions beteiligt.
    Deirdre seufzte. »… und ich sollte beim Reiten Handschuhe tragen«, meinte sie mit einem schuldbewussten Blick auf ihre Finger, die Alegrías Zügel fast ständig leicht anspielten und die Stute dadurch aufmerksam hielten. »Ich vergesse es bloß immer wieder. Wobei Reiten und Gartenarbeit eher Schwielen machen als ein bisschen Papierfalten. Ist aber auch egal. ›Arbeit schändet nicht‹, sagt mein Vater immer …«
    Doug Fortnam hatte sich seine Europareise in jungen Jahren
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