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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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eines Blitzes im Norden oder die sanfte Phosphoreszenz über den Sümpfen wäre die Nacht völlig dunkel gewesen. Plötzlich war sich der Konsul überdeutlich bewußt, daß er momentan das einzige vernunftbegabte Wesen auf einer namenlosen Welt war. Er lauschte den urzeitlichen nächtlichen Geräuschen, welche vom Sumpf emporstiegen und dachte an morgen, an einen Ausflug mit dem Vicken EMV bei Tagesanbruch, an einen ganzen Tag im Sonnenschein, an Großwildjagd in den Farnwäldern im Süden, an die Rückkehr zum Schiff, ein gutes Steak und ein kaltes Bier. Der Konsul dachte an das ausgeprägte Vergnügen der Jagd und den ebenso ausgeprägten Trost der Einsamkeit: Einsamkeit, die er sich durch die Schmerzen und den Alptraum verdient hatte, die er schon einmal auf Hyperion erdulden mußte.
    Hyperion.
    Der Konsul ging hinein, zog den Balkon ein und versiegelte das Schiff, als die ersten schweren Regentropfen herunterprasselten. Er ging die Wendeltreppe zu seinem Schlafgemach im Bug des Schiffes hinauf. Der kreisrunde Raum war dunkel, abgesehen von den stummen Explosionen der Blitze, welche die Ströme von Regenwasser deutlich machten, die über das Oberlicht flössen. Der Konsul zog sich aus, legte sich auf die feste Matratze und schaltete Stereoanlage und Außenmikrofone ein. Er lauschte, wie sich die Wut des Gewitters mit dem Tosen von Wagners ›Flug der Walküren‹ vereinte. Orkanartige Windböen beutelten das Schiff. Das Bersten des Donners erfüllte das Gemach, wenn das Oberlicht weiß aufblitzte und Phantombilder auf den Netzhäuten des Konsuls gleißten.
    Wagner ist nur gut bei Gewittern, dachte er. Er machte die Augen zu, konnte die Blitze aber durch die geschlossenen Lider wahrnehmen. Er erinnerte sich an das Glitzern von Eiskristallen, welche durch die verfallenen Ruinen auf den flachen Hügeln bei den Zeitgräbern wehten, und das noch kältere Funkeln von Stahl auf dem unmöglichen Baum aus Metalldornen des Shrike. Er erinnerte sich an Schreie in der Nacht und den hundertfacettigen, rubin-und-blutroten Blick des Shrike selbst.
    Hyperion.
    Der Konsul befahl dem Computer lautlos, sämtliche Lautsprecher auszuschalten und bedeckte die Augen mit dem Unterarm. In der plötzlichen Stille dachte er daran, was für ein Wahnsinn es wäre, wieder nach Hyperion zurückzukehren. In den elf Jahren, die er als Konsul auf dieser fernen, rätselhaften Welt verbracht hatte, hatte die geheimnisvolle Kirche des Shrike ein Dutzend Barken mit Pilgern von anderen Welten zu den windumtosten Ödländern um die Zeitgräber nördlich der Berge reisen lassen. Niemand war zurückgekehrt. Und das war in normalen Zeiten gewesen, als das Shrike Gefangener von den Gezeiten der Zeit und Kräften, die niemand verstand, gewesen war, und die Anti-Entropiefelder sich auf wenige Meter rings um die Zeitgräber herum beschränkt hatten. Und die Gefahr einer Invasion der Ousters nicht bestanden hatte.
    Der Konsul dachte an das Shrike, das nun überall frei auf Hyperion herumstreunen konnte, an die Millionen Eingeborenen und Bürger der Hegemonie, die dem Wesen, das den physikalischen Gesetzen trotzte und ausschließlich durch den Tod kommunizierte, hilflos ausgeliefert waren, und er erschauerte, obwohl es in der Kabine warm war.
    Hyperion.
    Nacht und Gewitter gingen vorüber. Eine weitere Gewitterfront raste der aufziehenden Dämmerung voraus.
    Zweihundert Meter hohe Gymnospermen bogen und wiegten sich vor den brausenden Luftmassen. Kurz vor Dämmerung erhob sich das Ebenholzraumschiff des Konsuls auf einer Säule blauen Plasmas, stieß durch Wolken, die sich zusammenballten und strebte dem Weltraum und dem Rendezvouspunkt entgegen.
     

ERSTER TEIL
    Der Konsul erwachte mit den eigentümlichen Kopfschmerzen, dem trockenen Hals und dem Gefühl, als habe er tausend Träume vergessen, das allein Zeiten in kryonischer Fuge mit sich brachten. Er blinzelte, setzte sich auf dem flachen Diwan aufrecht und entfernte benommen die letzten Sensorbänder, die an seinem Körper klebten. Zwei sehr kleine Mannschaftsklone und ein großer Tempelritter mit Kapuze befanden sich bei ihm in dem fensterlosen ovalen Raum. Einer der Klone bot dem Konsul das nach dem Auftauen traditionelle Glas Orangensaft an. Er nahm es und trank gierig.
    »Der Baum ist zwei Lichtminuten und fünf Flugstunden von Hyperion entfernt«, sagte der Tempelritter, und dem Konsul wurde klar, daß er von Het Masteen, Kapitän des Baumschiffs der Tempelritter und Wahre Stimme des Baums,
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