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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers
Autoren: Tatjana Stöckler
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Treppenabsatz stützte sie das Tablett ab und lüftete mit einer Hand die Ecke des Abdecktuchs. Ihr Magen zog sich schmerzlich zusammen bei den Wohlgerüchen, die jetzt hervorquollen. Gebratener Speck in dicken Scheiben, bedeckt von Rühreiern, ein Haferbrei mit kandierten Früchten, die in Sahne schwammen, Birnen und Pflaumen, gewürzt mit Zimt und Honig, fettreiche Gerstengrütze, daneben frisches Brot, so weiß und locker, dass es wie Schafwolle aussah. Elße schloss die Augen und musste schlucken, bis das schmerzhafte Grummeln des Magens vorüberging. Auch sie würde gleich etwas zu essen bekommen, ganz sicher. In ihrem Haferbrei würde es keine Butter und keinen Honig geben, sie würde Spelzen spucken, aber sie würde satt werden. Widerwillig deckte sie das Frühstück zu und mühte sich die enge Treppe nach oben.
    Niemand öffnete ihr nach dem Anklopfen, sie balancierte das Tablett, bis sie die Klinke umdrehte und eintrat. Nachdem sie die Tür mit der Hüfte zugeschoben hatte, knickste sie, obwohl sie niemanden sah. Hier oben war sie noch nie gewesen, und es überwältigte sie. Flüchtig dachte sie, es sei die Pracht des Raums, die ihr die Luft nahm, dann spürte sie in ihrem Gesicht die Hitze. Ein Feuer flackerte sanft im Kamin, wofür Jonata zuständig war und bei jedem Schlag der Turmuhr aus dem Nachbarhaus Holz nachlegen musste.
    Dunkle Täfelung, mit Bienenwachs poliert, bis sie nach Honig duftend glänzte, verkleidete die Wände. Goldgerahmte Bilder und kleine Statuen zogen ihre Blicke auf sich, auf zierlichen Möbeln standen goldene Schalen und Pokale. Verwundert tat sie ihren ersten Schritt und versank in dem weichen Teppich, der in leuchtenden Farben fast den gesamten Boden bedeckte.
    Zögerlich trat sie zu dem Tisch in der Mitte des Zimmers, dessen Platte wie ein Spiegel ihr Gesicht reflektierte. Daneben gab es ein Beistelltischchen mit einem aus Mosaik geformten Bild, das ihr robuster für das grobe Tablett aussah, das sie trug. Behutsam setzte sie ihre Last ab. Nach rechts stand eine Tür halb offen, aus der sie es plätschern hörte. Vorsichtig klopfte sie an.
    »Komm herein«, hörte sie die Stimme des Herrn.
    Sie folgte dem Befehl, schlug sittsam die Augen nieder und knickste. Als sie aufblickte, fühlte sie das Blut in ihre Wangen schießen. Der Apotheker stand in einer großen Kupferbadewanne, nur bedeckt von öligem Wasser, das langsam an ihm herabrann.
    »Starr mich nicht an, gib mir das Handtuch!«, fuhr er sie an. Augenblicklich sprang sie zur offenstehenden Truhe und griff nach dem Gewünschten. Das Laken roch frisch und fühlte sich weich an. »Trockne mir den Rücken ab«, befahl der Herr.
    Noch nie hatte Elße als Bademagd gearbeitet, sie konnte sich auch nicht vorstellen, dies zu tun. Mit Widerwillen breitete sie das Laken aus, bedeckte faltige, mit einer unübersehbaren Vielfalt an Malen entstellte Haut, das hängende Gesäß. Er war ein alter Mann, doch trotz der sichtbaren Alterserscheinungen machte er einen kräftigen, sehnigen Eindruck. Das bestätigten die Mädchen, die sich vor seinen Schlägen fürchteten.
    Die Wärme des Zimmers hatte noch nicht Elßes Finger durchdrungen, die sich wie erfroren anfühlten. Behutsam tupfte sie das Laken über den narbigen Rücken. »Stärker«, forderte er sie auf. Also strich sie mit der ganzen, in den Stoff gewickelten Hand über die Haut. Er drehte sich zu ihr herum und sah ihr ins Gesicht. Elße schlug den Blick nieder, beobachtete ihre Finger, wie sie sich in das Tuch krallten und Wassertropfen von der haarigen Brust wischten.
    »Du hast das wohl noch nicht oft getan«, stellte er fest.
    »Nein, Herr.« Sollte sie ihm erklären, dass, im Gegenteil, Mädchen das mit ihr getan hatten, als ihr Vater noch lebte? Dass nur die unmäßigen Forderungen für das Altenteil der Schwiegermutter, der ihr zweiter Sohn beistand, Elßes Mutter in die Armut getrieben hatten? Dass sie in einem großen Haus mit weiten Ländereien aufgewachsen war und die Einkünfte, nachdem die Forderungen abgezogen waren, nicht gereicht hatten, ihren Hunger zu stillen?
    Er deutete auf das mit einem Ölfilm überzogene Wasser. »Du solltest auch baden. Zieh dich aus.«
    Sie hielt in der Bewegung inne. »Danke, Herr. Das ist nicht nötig.«
    »Ziere dich nicht. Ich bin es gewöhnt, nackte Weiber in den schlimmsten Posen zu sehen. Der Herr wird mich nicht mit Blindheit schlagen, wenn du mir deine Euter präsentierst.«
    Elße spürte bei diesen rüden Worten erneut Röte in
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