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Die Horde - Die Schlacht von Morthûl

Die Horde - Die Schlacht von Morthûl

Titel: Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
Autoren: Ari Marmell
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steinernen Plattform an der Nordwand des Raums. Der pelzbesetzte Saum seines Mantels, der ein wundervolles Mitternachtsblau gezeigt hatte, als er neu gewesen war, vor etwa vierhundert Jahren, strich wie flüsternd über die Steinplatten. Aus irgendeinem Grund konnte ihm der Schleim nichts anhaben.
    Ein großer eiserner Kessel stand vor einem granitenen Altar, und darin blubberte eine grässliche Flüssigkeit, erhitzt ohne die Hilfe sichtbarer Flammen. Jungfrauenblut, Drachentränen, Spinnenatem, Geisteressenz, das Herz eines Neugeborenen und andere so seltene Reagenzien, dass Jahrhunderte der Suche notwendig gewesen waren, um sie zu beschaffen – das alles zischte und spritzte in dem großen Kessel, gelegentlich aufgewirbelt von den lebenden Tieren, die der hochgewachsene Zauberer hineinwarf.
    »Havarren?« Der Burgherr sah von dem Tisch auf, der eine weitere Mischung seltener und seltsamer Objekte präsentierte, darunter magische Werkzeuge und uralte Amulette. »Die Zeit?«
    Der schmächtige Zauberer runzelte kurz die Stirn, als er sich konzentrierte. »Es ist fast so weit, Herr. Ihr könnt … jetzt beginnen.«
    Das erste der überaus kostbaren arkanen Objekte wurde in den Kessel geworfen. Sofort erglühte das ekelhafte Gebräu darin und füllte den unterirdischen Raum mit dem Licht der Mittagssonne. Falchion zuckte zusammen, nicht wegen der plötzlichen Helligkeit, sondern weil ihm das jähe Licht seinen Herrn in aller Deutlichkeit zeigte; Morthûl, der Leichenkönig von Kirol Syrreth.
    Gewänder, einst von königlicher Qualität, jetzt zerrissen und hoffnungslos zerfleddert, umhüllten einen Körper, wie sich ihn ein normaler Mensch kaum vorstellen konnte. Bei jeder Bewegung des Dunklen Lords knirschte mumifizierte Haut wie altes Leder. Die linke Hälfte des Gesichts war von dieser Haut bedeckt und zu einem ewigen Grinsen erstarrt; die rechte zeigte nur nackte Knochen. Das schauderhafte gelbe Glühen kam vor allem aus den Augen, zeigte sich aber auch in der Nasenöffnung und zwischen König Morthûls Zähnen. Würmer und Maden, Käfer, Kakerlaken und noch weitaus abscheulichere Kreaturen krabbelten auf der Kleidung des Leichenkönigs, und auch auf seinem seit langer Zeit toten Fleisch. Sie krochen zwischen frei liegenden Knochen und Rippen, fielen gelegentlich wie in einer Parodie von Tränen aus den Augenhöhlen. Rabenschwarze Locken, die unter einer fleckigen Silberkrone hervorragten, vervollständigten das Bild.
    Falchion, General der Streitkräfte des Leichenkönigs, schauderte in diesem seltenen Moment der Selbstbesinnung, als der Plan, den der Leichenkönig seit Jahrhunderten verfolgte, hier und jetzt seine kritische Phase erreichte. Dies war der Mann – das Etwas  –, dem er bei seinem Leben Treue geschworen hatte. Der Anblick genügte, selbst den widerstandsfähigsten Magen umzudrehen und auch die verdorbenste Seele zu veranlassen, sich vor Angst und Ekel wimmernd in eine dunkle Ecke zu ducken.
    Aber Falchion war in erster Linie ein praktisch denkender Mann. Und wenn sich jemand anschickte, über die ganze bekannte Welt zu herrschen, so wollte er auf dessen Seite stehen, wie abscheulich und alt dieser Jemand auch sein mochte.
    Morthûl versteifte sich plötzlich, als hätte ihn die Leichenstarre nach all den Jahren eingeholt. Dann erklang die Stimme des Dunklen Lords, in einer Mischung aus klangvollem Gesang und kehligem Heulen; er hob die Arme und ballte die Fäuste, die eine knöchern, die andere in ledrige Haut gehüllt. Sonderbare Energien knisterten rings um ihn, und eine blende Woge aus Licht, grün wie Galle, floss vom Kessel in den Leichenkönig und dann nach oben, verschwand durch die kalte Decke des Raums. Falchion stellte sich vor, wie das unheimliche Leuchten die Oberfläche erreichte und glühende Tentakel über den Kontinent schickte, auf der Suche nach bestimmten Zielen.
    Havarren neigte den Kopf, und Falchion wusste, dass er ein eigenes Signal sendete und damit einen Teil des Rituals erfüllte, um den sich Morthûl nicht selbst kümmern konnte. Sofort reagierten Beauftragte von Kirol Syrreth, die im Osten und Süden der Verbündeten Königreiche gewartet hatten, und strömten auf die Straßen, um Gewalt zu säen. In einem Dutzend Städte überall im Land lauerten Menschen und Angehörige der Horden-Völker allen auf, die zu so später Stunde noch unterwegs waren. Innerhalb weniger Minuten gingen tausend Leben vorzeitig zu Ende: Junge und Alte, Reiche und Arme, Gute und Böse, sie alle
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