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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode
Autoren: Fredrika Gers
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am Nachmittag auf der Wiese vor ihren Bürofenstern passiert war: Der Gleitschirm des Toten hatte sich in großer Höhe ohne erkennbaren Grund eingefaltet, und der Flieger war fast wie ein Stein zu Boden gestürzt. Manipulationen am Schirm konnten zunächst nicht festgestellt werden. Der Tote lag jetzt zwar in der Kühlkammer des Kreiskrankenhauses, sollte aber laut dem Polizisten nicht obduziert werden. Sein Chef, ein gewisser Dr. Fischer, habe darin keine Notwendigkeit gesehen.
    «Ich hab gehört, dass der Tote ein Gast aus Norddeutschland war und mit einem Freund im Haus Schön wohnte», erzählte Manu dem Polizisten. Damit wusste sie mehr als er.
    «Das werden wir morgen früh überprüfen», antwortete Holzhammer, machte aber keine Anstalten, weiter nachzufragen, was Manu sichtlich enttäuschte. Offensichtlich renommierte sie gern mit den vielen Informationen, die ihr von Berufs wegen zu Ohren kamen. Christine versuchte, ihr Alter zu schätzen. Die Wirtin sah etwas verlebt aus, mit einigen tiefen Linien um Mund und Augen herum. Das Gesicht einer langjährigen Barfrau, die ständig zu wenig Schlaf bekam und auch sicher keine Befürworterin des Rauchverbots war. Ihre langen Haare waren auffällig rot gefärbt und fielen ihr tief in die Stirn. Sie trug eine ziemlich offenherzige Bluse, schwarz, halb transparent, mit einem spitzenbesetzten BH darunter, der am Dekolleté hervorblitzte. Um ihren Hals lag eine dünne Goldkette mit einem schlichten Kreuz.
    Als plötzlich ein neuer Gast eintrat, registrierte Christine verblüfft, dass Manus Begeisterung bei der Begrüßung tatsächlich noch steigerungsfähig war.
    «Servus, Klaus, wie schön!», kreischte sie beinahe, flog um die Theke herum und küsste den Mann auf beide Wangen. Dann bat sie die beiden Touristen, ein Stück in Richtung Christine und Holzhammer aufzurücken, um dem Neuankömmling einen Ehrenplatz in ihrer Nähe frei zu machen.
    «Mein Chef», raunte Holzhammer Christine zu und seufzte. Christine registrierte, dass der Neue schlanker war als die meisten hier und unauffällig elegant gekleidet. Der dunkelgrüne Kaschmir-Rolli unter dem anthrazitfarbenen Tweed-Sakko passte perfekt zu seinen grüngrauen Augen, und es war offensichtlich, dass das kein Zufall war.
    Als der Leiter der Polizeidienststelle, Dr. Klaus Fischer, es sich auf dem Barhocker bequem gemacht hatte, stand vor ihm auf der Theke bereits ein Glas Whisky-Soda. Er nahm einen kräftigen Schluck und stellte das Glas deutlich hörbar wieder ab. Fischer war nicht ganz freiwillig in dieser schönen Gegend gelandet – er befand sich sozusagen im Berchtesgadener Exil. Denn sein Ehrgeiz hatte ihn seinerzeit in München dazu verführt, sich etwas zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Als Einser-Jurist war er mit der Vorstellung in den höheren Polizeidienst gegangen, einmal mindestens Polizeipräsident zu werden. Um diesem Ziel näherzukommen, hatte er versucht, sich in einem medienwirksamen Fall durch besonders energisches Auftreten zu profilieren. Leider hatte er dabei die ein oder andere Kleinigkeit übersehen. Er hatte kalkuliert, dass ein entschiedenes Vorgehen gegen die als «Bayerische Art» bekannt gewordene Arbeitsweise der Münchner Polizei und für ein rechtsstaatlicheres Verhalten dieses Organs ihm breite Bekanntheit und Zustimmung in den Medien und damit bei der Bevölkerung einbringen würde. Deshalb hatte er einen Polizeibeamten, der am Hauptbahnhof einen angetrunkenen Bankkaufmann verprügelt hatte, ohne großes Federlesen, dafür aber mit viel Tamtam, aus dem Dienst entfernen lassen. Doch anstatt sein Eintreten für den Rechtsstaat zu loben, hatten die Medien Interviews mit der Ehefrau des Polizisten gebracht und Fischers Herzlosigkeit angeprangert. Auch tauchten bald Zeugen auf, die gesehen haben wollten, dass der Banker zuerst zuschlug. Doch das Genick gebrochen hatte ihm letztlich ein weiterer Umstand, den er leider übersehen hatte: Die siebzehnjährige Tochter des Polizeibeamten sah nicht nur sehr gut aus – sie schlief auch mit dem jüngsten Sohn eines maßgeblichen Referenten des bayerischen Innenministers. Das Ende vom Lied war gewesen, dass der Innenminister Fischer unter vier Augen nahegelegt hatte, sich auf diesen völlig abwegigen Posten hier in Berchtesgaden zu bewerben. Widerstandslos hatte Fischer das getan – er hatte keine Wahl gehabt.
    Deshalb leitete Kriminaloberrat Dr. Klaus Fischer jetzt seit drei Jahren die hiesige Polizeiinspektion und wartete ständig auf
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