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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin
Autoren: Philippa Gregory
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in den Sinn
kommt, und tun, wonach es dich gelüstet. Das freut ihn, und uns führt
es die heilige Einfalt vor Augen, was wiederum den König freut. An
diesem Hofe der Lügner und Speichellecker wirst du als Einzige die
Wahrheit sagen, wirst du die Stimme der Unschuld sein. Verstehst du?«
    »Wie soll ich sein?« Ich war vollkommen verwirrt. »Was
verlangt Ihr von mir?«
    »Du sollst ganz du selbst sein. Sprich, wie deine Gabe es dir
eingibt. Sag alles, was dir in den Sinn kommt. Der König hat zurzeit
keinen heiligen Narren, und es gefällt ihm, wenn bei Hofe auch eine
Stimme der Unschuld spricht. Er hat dich zu seinem Hofnarren bestimmt.
Nun sei es auch! Du gehörst zum Hofstaat. Du wirst für deine Dienste
als Hofnärrin bezahlt werden.«
    Ich wartete.
    »Verstehst du, Hofnarr?«
    »Ja. Aber ich nehme den Dienst nicht an.«
    »Du kannst den Dienst nicht verweigern. Du bist ihm als
Hofnarr übereignet worden, du besitzt keine rechtliche Stellung, du
hast keine Stimme. Dein Vater hat dich Lord Robert übergeben, und
dieser hat dich dem König gegeben. Du bist nun das Eigentum des Königs.«
    »Und wenn ich mich weigere?« Ich hatte angefangen zu zittern.
    »Du kannst dich nicht weigern.«
    »Und wenn ich fortlaufe?«
    »Dann wirst du nach der Maßgabe des Königs bestraft: geprügelt
wie ein junger Hund. Einst warst du Eigentum deines Vaters, nun gehörst
du uns. Und wir haben dich dem König als Hofnarr angeboten. Du bist nun
sein Eigentum. Verstehst du?«
    »Mein Vater würde mich niemals verkaufen«, sagte ich
störrisch. »Er würde mich nicht hergeben.«
    »Gegen uns kommt er nicht an«, ließ sich Robert leise in
meinem Rücken vernehmen. »Und ich habe ihm versprochen, dass du hier
sicherer seist als auf der Straße. Ich gab ihm mein Wort, und er
erklärte sich einverstanden. Diese Vereinbarung wurde während der
Buchbestellung getroffen, Hannah. Alles ist bereits arrangiert.«
    »Allerdings«, fuhr der Herzog fort, »hast du noch eine weitere
Aufgabe zu erfüllen.«
    Ich wartete.
    »Du sollst unser Vasall sein.«
    Als das mir unbekannte englische Wort fiel, sah ich Robert
Dudley fragend an.
    »Ein Lehnsmann, ein Knecht auf Lebenszeit«, erklärte er.
    »Unser Vasall. Alles, was du hörst, alles, was du siehst,
teilst du mir umgehend mit. Wofür der König betet, was ihn zum Weinen
bringt, was ihn zum Lachen bringt – alles berichtest du sofort
Robert oder mir. Du sollst für uns Auge und Ohr an der Seite des Königs
sein. Verstehst du?«
    »Mylord, ich muss heim zu meinem Vater«, beharrte ich
verzweifelt. »Ich kann weder Hofnärrin des Königs noch Eure Vasallin
sein. Ich muss doch in unserem Buchladen arbeiten!«
    Der Herzog warf seinem Sohn einen bedeutsamen Blick zu. Robert
neigte sich vertraulich zu mir und redete beschwörend auf mich ein.
    »Holder Knabe, dein Vater kann sich nicht um dich kümmern. Das
hat er in deinem Beisein gesagt, erinnerst du dich nicht?«
    »Ja, aber, Mylord, er wollte doch nur sagen, dass ich eine
Last für ihn bin …«
    »Holder Knabe, ich vermute, dein Vater stammt gar nicht aus
einer guten christlichen Familie, sondern ist Jude. Ihr seid aus
Spanien geflohen, weil man Juden in diesem Lande nicht duldet. Und wenn
eure Nachbarn und die braven Londoner Bürger wüssten, dass ihr Juden
seid, würdet ihr euer neues kleines Heim nicht mehr lange euer Eigen
nennen können.«
    »Wir sind Marranen, unsere Familie ist schon vor Jahren
konvertiert«, flüsterte ich fieberhaft. »Ich bin getauft, ich bin einem
jungen Mann, einem englischen Christen, den mein Vater ausgesucht hat,
zur Braut versprochen …«
    »Diese Richtung würde ich nicht einschlagen«, warnte Robert
Dudley freimütig. »Führe uns nur zu diesem jungen Mann, und ich stelle
mir vor, dass wir auf eine in England versteckte Judensippe stoßen, und
von dort aus geht es nach – wo seid ihr vorher
gewesen – Amsterdam? Und weiter nach Paris?«
    Ich öffnete den Mund, um zu leugnen, brachte aber vor Angst
keinen Ton heraus.
    »Eine verschworene Gemeinschaft heimlicher Juden, die
vorgeben, Christen zu sein. Alle stecken sie am Freitagabend eine Kerze
an, essen kein Schweinefleisch, leben in ständiger Furcht vor der
Schlinge, die sich um ihren Hals legen könnte.«
    »Sir!«
    »Sie haben sich zusammengetan und geholfen, euch nach England
zu bringen, nicht wahr? Die Juden leben über alle Länder verstreut,
praktizieren im Verborgenen die Riten ihrer verbotenen Religion, doch
sie helfen einander stets. Es ist ein
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