Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
sie weiter streiken wollen, bis der Lohn und das Essen da sind?!« rief Hahnenkampfbill.
    »Dann wird geschossen.«
    »Prost. Die haben auch ein paar Flinten.«
    »Wir bleiben zusammen und schießen zuerst. Eine Salve, in einen unvorbereiteten Haufen gezielt, pflegt Wunder zu wirken.«
    »Wann?« fragte Jim nur noch.
    »Morgen früh ­ falls die Arbeit nicht aufgenommen wird.«
    Die Bewaffneten beschlossen, die Nacht über zusammen hinter der Baracke zu kampieren. Jim wollte als Horcher umhergehen, um die Stimmung und die Pläne der zum Streik Entschlossenen zu erkunden.
    Harka war müde und fror. Jim ekelte ihn an, Joe Brown verstand er nicht. Der Ingenieur hatte so gerecht zu sprechen begonnen und gesagt, daß die Arbeiter sich zu Recht beklagten und daß er allem abhelfen wolle. Aber das Ende war, daß geschossen werden sollte. Der junge Indianer wickelte sich in eine Decke und versuchte zu schlafen. Doch er fand keine rechte Ruhe, da es im Lager unruhig blieb. Jim kam zurück und flüsterte mit Joe. Hahnenkampfbill brüstete sich mit seiner Kunst, andere das Gras küssen zu lassen. Im Zelt wurde noch immer gesungen, und einer der Redner auf dem Hauptplatz des Lagers hatte sich durchgesetzt. Da Harka jetzt wußte, worum es ging, begann er auch zu verstehen, was dieser Redner sagte. Er klagte weiße Männer an, andere weiße Männer hungern und für Hungerrationen und in Lebensgefahr schwer arbeiten zu lassen. Er klagte sie an, daß sie in Saus und Braus lebten, ihren arbeitenden Brüdern aber nicht das Notwendigste gönnten, daß sie Blutsauger seien und um nichts besser als die besiegten Sklavenhalter. Der junge Indianer fühlte sich nun doch auf eine besondere Weise angesprochen. Er erinnerte sich an den Winter, in dem sein Vater und er als Artisten mit einem Zirkus gereist waren. Die Bilder stiegen wieder in ihm auf, auch das Bild des Inspizienten Ellis, der den Dompteur Ronald bis aufs Blut gepeinigt und die Indianer verhöhnt hatte und den Mattotaupa am Ende jenes Winters erschoß. Sicher meinte der Redner solche weißen Männer wie Ellis, und er hatte recht, wenn er sie Unterdrücker nannte. Aber alle weißen Männer zusammen wollten die roten Männer unterdrücken und ihnen die Nahrung wegnehmen, und alle weißen Männer gehorchten dem Gesetze, nach dem Mattotaupa als Mörder bestraft werden sollte, weil er Ellis erschossen hatte. Es war sehr schwer, sich zurechtzufinden.
    Aber morgen sollte geschossen werden, und auch Harka hatte eine Flinte erhalten.
    Der junge Indianer schlief aus Müdigkeit ein.
    Als Mattotaupa ihn vor Morgengrauen weckte, griff Harka gewohnheitsmäßig zuerst nach den Waffen. Jeder nahm eine Handvoll Essen zu sich.
    In den Zelten und Baracken war es noch ruhig. Man hörte nur ein paar Männer schnarchen. Ein Pferd stampfte.
    Joe hatte sich die Pfeife angesteckt und paffte. »Komm, Henry«, sagte er jetzt. »Ich werde mich mit ein paar entschlossenen Ingenieuren und Vorarbeitern dafür einsetzen, daß sofort zu den Arbeitsstellen abmarschiert wird. Frühstücken mögen die Leute dort. Wenn sie sich hier noch zusammensetzen und klönen, ist unsere Sache schon halb verloren. Jim, du bist mir verantwortlich, daß die Waffen nur gebraucht werden, wenn es notwendig wird.«
    Joe und Henry gingen um die Baracke herum und verschwanden für die Augen der Gruppe von Indianern und Grenzern, die zum Schutze des Lagers gegen Angriffe der Indianer angestellt worden waren. Mattotaupa und Harka saßen mit dem Rücken gegen die Barackenwand gelehnt und trugen nach außen hin einen fast gelangweilt wirkenden Gleichmut zur Schau. Sie blickten nach Osten, wo sich der Horizont lichtete und endlich der Sonnenball über dem Rande der weithin gedehnten Grasfläche auftauchte, in das flimmernde Gold seiner eigenen Strahlen getaucht.
    Im Lager war es lebendig geworden. Aber es war nicht die Mischung von langsamen und eilenden Schritten, von Sprechen, Lachen, Fluchen, mit der sonst ein Lagermorgen begann. Die Baracken leerten sich, aber die Männer murmelten nur hin und wieder, und sie sammelten sich da und dort, nicht in ihren Arbeitsgruppen, sondern geschieden nach Entschlossenen und Zweifelnden. Einige kamen auch hinter die Baracke, hinter der Mattotaupa und Harka mit den anderen Bewaffneten zusammensaßen. Die Arbeiter stellten sich ein paar Meter entfernt auf und schienen jeden einzelnen der Kundschafter zu mustern; es war, als ob sie sich jedes Gesicht einprägen wollten.
    Auf dem großen staubigen Platz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher