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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hilflos. Verstört hob er die Hände, setzte dazu an, etwas zu sagen, und brachte dann nur ein stummes Kopfschütteln zu Stande. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
    »Aber. aber wir können doch nicht.«
    »Es ist gut«, unterbrach ihn Lea. Plötzlich war aller Schmerz aus ihrer Stimme gewichen, aber sie war zugleich auch leiser geworden; fast nur noch ein Flüstern, das selbst Arianrhod kaum noch hörte, obwohl sie gerade einen Schritt entfernt war. Leas Blick begann sich zu verschleiern.
    »Lasst mich einfach. hier liegen«, bat sie. »Zusammen mit Nachtwind. Er. hätte es so gewollt. Und ich auch.«
    Dragosz wollte etwas sagen, aber Lea unterbrach ihn mit einem matten Kopf schütteln. Ihr Blick flackerte, drohte sich im Nichts zu verlieren und tastete dann umher, bis er Arianrhod gefunden hatte.
    »Arianrhod«, flüsterte sie. »Bitte lass mich. mit Arianrhod.«
    Dragosz starrte sie an. Er rang sichtlich um seine Fassung, und er verlor diesen Kampf. Nach einer Weile, und nachdem Tränen sein Gesicht benetzt hatten, stand er auf und trat einen Schritt zurück. Ganz plötzlich war sein Gesicht wie Stein.
    Zitternd ließ sich Arianrhod neben ihrer Mutter auf die Knie sinken. Sie empfand immer noch nichts, nicht die geringste Spur von Trauer, keinen Schmerz, keinen Zorn, aber die Welt begann auf sonderbare Weise rings um sie herum zu verblassen, bis sie in einem Meer aus grauem Nebel dahinzutreiben schien, in dem nur noch das Gesicht ihrer sterbenden Mutter Wirklichkeit war.
    »Arianrhod?«, murmelte Lea. Der Blick ihrer weit geöffneten, schon halb verschleierten Augen war direkt auf Arianrhods Gesicht gerichtet, aber sie schien sie nicht mehr zu erkennen. Sie starb, begriff Arianrhod. Jetzt. Warum empfand sie nichts? »Bist du. da?«
    Arianrhod konnte nicht antworten, denn ihre Kehle war einfach zugeschnürt. Sie konnte auch nicht atmen. Schweigend griff sie nach der Hand ihrer Mutter und hielt sie fest.
    »Arianrhod«, flüsterte Lea. Die Andeutung eines Lächelns erschien auf ihren Zügen und verschwand wieder. Ihre Haut war so kalt wie Eis. »Du. du musst mir etwas. versprechen.«
    Arianrhod konnte immer noch nicht antworten, aber sie griff fester nach den Fingern ihrer Mutter, und irgendwie brachte Lea noch einmal die Kraft auf, die Berührung zu erwidern. Schmerz erschien jetzt auf ihrem Gesicht, aber er wirkte seltsam unwirklich, als befände sie sich schon halb in einer Welt, in der er keine Bedeutung mehr hatte.
    »Geh mit. Dragosz«, flüsterte sie. »Du musst mir versprechen. mit ihm. zu gehen. Heirate ihn und. und hüte unser Erbe.«
    »Unser Erbe?« Die beiden Worte auszusprechen tat weh.
    »Du bist. die Letzte. unseres Volkes«, flüsterte Lea. Das hellrote Rinnsal, das aus ihrem Mundwinkel lief, wurde breiter. »Es darf. nicht. untergehen. Versprich mir das.«
    »Ich verspreche es«, antwortete Arianrhod. Sie fühlte immer noch nichts. Selbst die Tränen, die jetzt über ihr Gesicht liefen, schienen irgendwie nicht zu ihr zu gehören. Was geschah mit ihr?
    »Das. das Schwert«, hauchte Lea, und Arianrhod spürte, dass sie es nun mit ihren unwiderruflich letzten Atemzügen tat. Ihre freie Hand tastete suchend umher, und Arianrhod beugte sich zur Seite und drückte ihr sanft den abgebrochenen Schwertgriff mit dem mattgrünen und goldenen Abbild des Himmels darin in die Finger. Lea hatte nicht mehr die Kraft, die Hand darum zu schließen.
    »Was immer auch geschieht«, flüsterte sie. »Du musst sie. bewahren. Hüte. die. Himmelsscheibe.«
    Und damit starb sie.
    Ihre Augen blieben offen. Nichts an ihren bleichen Zügen änderte sich, nur ihre Finger öffneten sich plötzlich wieder und ließen den Schwertgriff los, aber Arianrhod konnte spüren, wie sich etwas von ihr löste, noch einen Augenblick wie ein unsichtbarer Hauch in der Luft schwebte und sie ein allerletztes Mal berührte, eine körperlose, sanfte Hand, die sich zum Abschied noch einmal auf ihr Herz legte und es mit einer Wärme erfüllte, die sie nie, nie wieder im Leben wirklich verspüren sollte, und dann einfach verging.
    Und dann war der Schmerz da, auf den sie bisher vergeblich gewartet hatte, ohne eine Warnung, von einem Atemzug zum anderen und mit so unwiderstehlicher Wucht, dass Arianrhod schreiend über ihrer Mutter zusammenbrach.
    Es war dunkel geworden. Nachdem die Sonne untergegangen war, hatten Dragosz' Krieger eine Anzahl großer Feuer entzündet, die flackernde Inseln aus rotem und gelbem Licht in die Schwärze
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