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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und hätte den Ast, der sich plötzlich wie eine widerspenstige Schlange in ihren Händen zu winden schien, um ein Haar fallen gelassen, aber trotzdem schien das, was sie sah, ihrer Mutter zu gefallen. Sie sagte zwar nichts, nickte aber beifällig.
    »Und. jetzt?«, fragte Arri verständnislos, während ihr Blick zwischen dem Ast in ihrer Hand und dem Gesicht ihrer Mutter hin und her wanderte. Wenn das ein Spiel war, dann eines, das sie nicht verstand.
    »Schlag mich!«, sagte ihre Mutter.
    Arri starrte sie an. »Wie?«
    »Schlag mich!«, wiederholte ihre Mutter und nickte heftig, um ihre Aufforderung zu unterstreichen. »Nur keine Angst.«
    »Du machst dich über mich lustig«, vermutete Arri.
    Ihre Mutter schüttelte heftig den Kopf. »Keineswegs. Jetzt tu, was ich dir gesagt habe, und versuche, mich mit dem Stock zu treffen.«
    Arri rührte sich noch immer nicht. »Aber warum?«, murmelte sie hilflos.
    »Weil heute deine Ausbildung beginnt«, antwortete ihre Mutter. »Ich hätte schon viel früher damit anfangen müssen, aber es ist sehr leicht, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen.«
    Das verstand Arri noch viel weniger als alles andere, aber schließlich zuckte sie mit den Schultern und hob den Stock. Wenn ihre Mutter dieses seltsame Spiel mit ihr spielen wollte, warum nicht? Sie holte mit dem Stock aus und versuchte, ihre Mutter damit an der linken Schulter zu treffen; natürlich nicht besonders fest, denn sie wollte ihr schließlich nicht wehtun. Offenbar war das jedoch nicht das, was ihre Mutter erwartet hatte, denn sie machte nicht einmal eine Bewegung, um dem Schlag auszuweichen, sondern seufzte nur und bedachte Arri mit einem geradezu mitleidigen Kopfschütteln. »Versuch es noch einmal. Aber diesmal richtig.«
    »Aber warum denn?«, murmelte Arri verstört. Warum, um alles in der Welt, sollte sie ihrer Mutter wehtun!
    »Versuch dir einfach vorzustellen, ich wäre einer der Jungen aus dem Dorf«, antwortete ihre Mutter. »Ich habe dich gerade geärgert. Ich habe dich gedemütigt, dich geschlagen und dich in den Morast gestoßen. Ich bin viel stärker als du, aber jetzt hast du den Stock und kannst dich wehren.«
    Abgesehen von dem Teil mit dem Stock, war die Vorstellung für Arri eher nahe liegend. Sie hatte dergleichen oft genug erlebt, auch wenn es letztlich meist die anderen gewesen waren, die den Kürzeren gezogen hatten. Dennoch wuchs ihre Verwirrung angesichts dessen, was ihre Mutter von ihr forderte. »Aber was hast du eigentlich vor?«, murmelte sie.
    Diesmal schwang ein leicht unwilliger Ton in den Worten ihrer Mutter mit. »Ich will dir zeigen, wie man sich wehrt. Zum einen. Zum anderen.«
    »Zum anderen?«
    »Ist es an der Zeit, dir zu sagen, was Nor von mir wollte«, antwortete Lea unbehaglich.
    »Nor?«, fragte Arri, als hätte sie nicht recht verstanden, was ihre Mutter gerade gesagt hatte. Doch das Gegenteil war der Fall. Schon als ihre Mutter sie so hastig weggeschickt hatte, hatte sie geahnt, dass etwas Schlimmes passieren würde. Und als sie dann Nor im Streit mit ihr angetroffen hatte, war aus der Ahnung Gewissheit geworden. »Was ist mit ihm? Was wollte er von dir?«
    Lea kniff die Augenbrauen zusammen, und Arri konnte ihr ansehen, dass sie heftig mit sich rang. »Ich fürchte, ich habe dich viel zu lange geschont«, sagte sie dann leise. Und erst als Arri nicht darauf antwortete, fuhr sie beinahe hastig fort: »Das Schlimme ist, dass Nor Recht hat. Du hättest schon längst einem Mann versprochen werden müssen.«
    »Was?«, entfuhr es Arri entsetzt. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen, als sie begriff, was ihre Mutter gerade gesagt hatte.
    »Du hast dich daran gewöhnt, größer als alle Gleichaltrigen zu sein, nicht wahr?« Lea räusperte sich, als hätte sie einen Kloß im Hals, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme ungewöhnlich rau und heiser. »Du weißt natürlich, dass du mir im Wuchs nacheiferst, und bist deshalb gar nicht darauf gekommen, dass es noch einen anderen Grund geben könnte, warum du größer als alle anderen noch unvermählten Mädchen bist.«
    »Welchen Grund?«, fragte Arri entgeistert.
    »Der Grund ist, dass du zwei Jahre älter bist, als ich es dir und allen anderen gesagt habe«, antwortete ihre Mutter leise. Sie versuchte zu lächeln, aber es wurde nur eine Grimasse daraus. »Ich wollte es dir sagen. Immer wieder, den ganzen Sommer schon, das musst du mir glauben, Arianrhod. Aber ich habe mir einzureden versucht, dass es nicht nötig wäre,
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