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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition)
Autoren: Beatrix Mannel
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von der Reise«, erklärte Rosa. »Und der Tod seiner Mutter hat ihn völlig durcheinandergebracht.«
    »Wie heißt denn deine Mutter?«, fragte Dobkatz.
    »Amatulkarim«, antwortete Kaspar wie aus der Pistole geschossen.
    Die Ratsherren sahen sich verblüfft an.
    »So wurde meine Schwester im Harem immer genannt«, beeilte sich Rosa zu erklären und hoffte, dass niemand ihre Lüge bemerken würde.
    »Das Kind war im Harem?«, fragte der Schmerbäuchige mit weit aufgerissenen Augen.
    »Wie bereits von Arevhat gesagt wurde: Mein Schwager wurde im Auftrag des Großmoguls von Aurangzebs Kriegern ermordet, meine Schwester und mein Neffe in den Harem verschleppt.«
    Ein entsetztes Raunen ging durch den Raum.
    »Und wo ist die Mutter des Kindes jetzt?«
    »Sie ist tot.«
    »Nun reicht es aber.« Dobkatz sprang auf und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Rosa. »Wollen wir den ganzen Tag hier sitzen und uns diese Ammenmärchen anhören?«
    »Aber das sind beileibe keine Märchen!« Rosa stampfte mit dem Fuß auf und wandte sich mit Arevhat zum Gehen. »Kommt«, sie spuckte die Worte geradezu aus, »ich bin es leid – beenden wir also unsere Märchenstunde.«
    Kaspar begann zu schluchzen. »Mama soll kommen und mir ein Märchen erzählen. Mama!«
    Wurffbain beugte sich interessiert vor, und dann drehte er sich zu Dobkatz und sah ihn an. »So wird das nichts, Dobkatz. Lasst mich die Rede führen.« Er wandte sich wieder Kaspar zu. »Kaspar, du hast es also gern gehabt, wenn sie dir ein Märchen vorgetragen hat?«
    Kaspar wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht und versuchte, sein Schluchzen zu unterdrücken. »Ja.«
    »Und welches war dir das liebste?«, fragte Wurffbain.
    Während Kaspar überlegte, wackelte er mit dem Kopf, seine Zungenspitze trat beim angestrengten Überlegen hervor und blieb dann zwischen seine Lippen geklemmt.
    »Das kann ich nicht sagen«, platzte er schließlich heraus. »Das Märchen von den sieben Eiern mag ich«, er sah Wurffbain mit treuherzigen Augen an, »weil das nämlich so schön lange dauert. Aber die Geschichten vom Raubritter Eppelin, die hab ich auch gern.«
    Rosa und Arevhat sahen sich hoffnungsvoll an.
    »Warum hast du denn den Raubritter so gern?«
    »Na, weil der so klug und mutig ist«, sagte Kaspar, und es klang wie »kluuch un muhtich«, und das brachte alle Ratsherren mit Ausnahme von Dobkatz zum Lachen.
    Kaspar, erfreut über seinen Erfolg, legte noch nach. »Wie der Eppelin hat schon vorm Galgen gstanden und dann als letzten Wunsch nach seim Pfäht gfragt hat und mit eim Satz wah er davonn.«
    Nachdem die Herren sich wieder beruhigt hatten, sahen sie sich an und nickten Wurffbain zu.
    »Alles Lüge!«, rief Dobkatz, außer sich vor Zorn.
    »Noch nie war der Nürnberger Rat dermaßen kleinlich!«, widersprach Wurffbain. »Ich werde nicht zulassen, dass wir diese junge Frau so behandeln. Unser Oberster Losunger irrt, wenn er glaubt, dass er alleine eine Entscheidung treffen kann.«
    Dobkatz wollte protestieren, aber Wurffbain fuhr nur mit noch lauterer Stimme fort: »Eine Entscheidung, die den Ruf unserer Stadt beschmutzen wird. Meine Herren, wir haben der jungen Frau eine nahezu unlösbare Bedingung gestellt. Rosa Sibylla Zapf hat sie unter den allergrößten Schwierigkeiten erfüllt. Jeder anständige Bürger, der noch einen Funken Ehre im Leib hat, muss sich meiner Entscheidung anschließen.«
    »Der nackte Bauch hat dem Wurffbain den Kopf verdreht!«, giftete Dobkatz mit überschwappender Bosheit.
    »Was für ein ausgemachter Unsinn.« Wurffbain grinste anzüglich. »Ihr scheint davon mehr beeindruckt als alle anderen Männer hier im Saal. Das verwundert mich nicht, denn als allein lebender Mann seid ihr … nun ja, ein wenig unausgelastet.« Leises Kichern breitete sich aus. Dobkatz presste die Lippen zusammen, dann zischte er: »Was erlaubt Ihr Euch?«
    »Kein Mann – außer Euch vielleicht – wird sich von einem nacktem Weiberbauch in seiner Entscheidung beeinflussen lassen!« Die anderen Männer nickten zustimmend und applaudierten Wurffbain.
    »Kommen wir zur Abstimmung. Wer dafür ist, dass die Witwe Zapf die Werkstatt ihres verstorbenen Mannes für ihren rechtmäßigen Enkel Kaspar Zapf weiterführen darf, der hebe seine Hand.«
    Alle Hände hoben sich, nur die von Dobkatz blieben unten.
    »Damit ist die Entscheidung klar«, sagte Wurffbain und warf Dobkatz triumphierende Blicke zu. »Damit erkläre ich die Sitzung für beendet«, fuhr Wurffbain
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