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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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richtig danach greifen konnte.
    »Und jetzt willst du mich töten.«
    »Nicht ich, Robert«, antwortete sie. »Du hast an Mächte gerührt, die du nicht einmal in tausend Jahren begreifen würdest. Du musst den Preis dafür bezahlen.«
    Ich verstand nicht, was sie meinte, wenngleich sich eine dumpfe, bedrückende Ahnung in mir breitzumachen begann. Aber Priscylla gab mir keine Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen. Sie gab einem ihrer Begleiter einen Wink. Der Bursche trat mit einem raschen Schritt hinter mich, packte mein Handgelenk und drehte mir den Arm auf den Rücken. Ich ließ es geschehen, ohne die geringste Gegenwehr. Jeder Gedanke an Widerstand war in mir erloschen. Ich fühlte nichts mehr. Nichts, was ich mit Worten beschreiben konnte.
    Halbwegs hatte ich damit gerechnet, dass sie mich zu dem Altarstein in der Mitte der Halle schleifen würden, aber der Kerl drehte mich stattdessen mit einer groben Bewegung herum und stieß mich vor sich her aus der Tür. Priscylla und ihre Begleiter folgten uns.
    Wir näherten uns dem Hafenbecken. Die Kutsche war mittlerweile verschwunden, und der Wind schien kälter geworden zu sein. Der Mond hatte sich hinter tiefhängenden schwarzen Wolken verkrochen, und es war so dunkel, dass ich von meiner Umgebung nur Schatten wahrnehmen konnte. Ein fauliger Geruch stieg von der Wasseroberfläche empor.
    Der Bursche, der mich gepackt hielt, versetzte mir einen derben Stoß, der mich ein paar Schritte nach vorne taumeln ließ. Ich glitt aus, fiel auf die Knie und warf mich im letzten Moment zur Seite, um nicht über das Kai zu stürzen und ins Wasser zu fallen.
    Als ich mich umwandte, waren Priscylla und ihre Begleiter ein paar Schritte zurückgewichen. Sie bildeten einen weiten, lockeren Halbkreis um mich und das Hafenbecken hinter mir. Aber ich war fast sicher, dass sie diesen Abstand nicht nur zu mir hielten.
    Priscylla hob in einer langsamen, beschwörenden Geste die Hände, legte den Kopf in den Nacken und begann lautlose Worte mit den Lippen zu formen. Eine spürbare Spannung lag plötzlich in der Luft. Ich hörte, wie das Wasser hinter mir zu rauschen begann, als stiege etwas Großes, Gewaltiges vom Grunde des Hafenbeckens hervor, aber ich wagte es nicht, mich umzublicken.
    Fast eine Minute lang blieb Priscylla reglos in dieser seltsamen Haltung stehen, ehe sie die Hände senkte und mich wieder ansah. Die ganze Szene kam mir auf bedrückende Weise bekannt vor. Angst bohrte sich wie ein dünner Schmerz in meine Brust.
    »Was … was hast du vor?«, fragte ich.
    »Was getan werden muss, wird getan«, erwiderte Priscylla steif. Das Wasser hinter mir rauschte stärker. Mit klopfendem Herzen wandte ich den Kopf und blickte auf das einen Meter unter mir liegende Hafenbecken herab. Auf der schwarzen Oberfläche des Wassers bildeten sich Wirbel und Strudel. Ein gewaltiger, bizarr verzerrter Schatten zeichnete sich in der Tiefe ab und begann allmählich zu wachsen.
    »Das … das Ungeheuer«, keuchte ich. »Das Ungeheuer von Loch Shin.«
    Priscylla nickte. »Du selbst warst es, der es um sein Opfer betrog«, antwortete sie. »Doch es wird sich holen, was ihm zusteht.«
    »Du hast es … hierhergerufen?«, stammelte ich. »Du hast diese Bestie nach London gebracht?«
    »Nicht gerufen, Robert.« Priscyllas Stimme klang vollkommen mitleidlos. »Es ist mir gefolgt, mir und dir. Es will sein Opfer, und es wird es bekommen.«
    »Und dann?«, fragte ich leise. »Was wird es dann tun? Weitere Unschuldige töten? Noch mehr und immer mehr Menschen umbringen?«
    »Und das wirfst du mir vor?« Priscylla lachte hart. »Wer hat dir gesagt, dass du nach Goldspie kommen und die alte Ordnung stören sollst? Alles war gut, bis du erschienen bist. Du machst dir Sorgen? Das hättest du eher tun sollen, Robert. Du hast dich in Dinge gemischt, die dich nichts angehen. Jetzt bezahlst du den Preis dafür.«
    Ich wollte etwas erwidern, aber ich kam nicht dazu. Hinter mir begann das Wasser zu brodeln, und als ich mich umwandte, sah ich einen gewaltigen schwarzen Schatten aus dem Hafenbecken auftauchen.
    Der Anblick ließ mir den Atem stocken.
    Die Wolken waren wieder aufgebrochen, und der Mond verschüttete sein silbernes Licht über dem Hafen. Für einen Moment war es beinahe taghell.
    Hell genug jedenfalls, mich das gewaltige Monstrum erkennen zu lassen, das aus dem schäumenden, aufgepeitschten Wasser emporgestiegen war.
    Ich weiß nicht; was ich erwartet hatte – etwas wie Yog-Sothoth vielleicht oder eine
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