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Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Titel: Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Autoren: Tatjana Stöckler
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Gedanken, sein Haus aufzusuchen, während er hier am Scheiterhaufen trauerte. Nein, soviel Diebesehre hatte sie, diesen Mann in seinem Elend nicht auch noch zu bestehlen.
    Das große Haus des Müllers stand an der Stadtmauer. Der Wehrgang lag verlassen - der Nachtwächter wusste, dass niemand mehr patrouillierte, seit die Schweden fort waren - und Luzia benutzte die Mauer, um auf das Dach eines Schuppens zu kommen. Von dort sprang sie auf einen Balkon und öffnete das Fenster zur Wäschekammer. Es handelte sich eigentlich nur um eine Luke und sie musste sich winden, um hinein zu gelangen, sie war ja gelenkig. Schmunzelnd dachte sie an die Kunststücke, die sie als Kind im Theater vollführt hatte. Ein Verwandter hatte sie als Akrobatin haben wollen.
    Zwischen nach Lavendel duftendem Leinen kam sie auf den Flur. Der Hund schlief jede Nacht in der Diele eingesperrt. Lautes Schnarchen wies ihr den Weg zum Schlafzimmer des Müllers, die Tür ließ sich langsam und leise öffnen. Wie ein Schatten huschte Luzia hinein. Jetzt war jede Bewegung kritisch. Vor ihrem inneren Auge ließ sie den Raum entstehen, wie er im Vormittagslicht ausgesehen hatte. Direkt vor ihr stand das klobige Ehebett, rechts ein Kleiderschrank, links die große Wäschetruhe und daneben Waschschüssel und Kanne. Unter dem Bett müffelte das Nachtgeschirr. Der Müller war reich, daher besaß jeder sein eigenes. Stocksteif blieb Luzia stehen, als der Müller mit Schnarchen aufhörte und drei Atemzüge aussetzte. Dann schnappte er nach Luft, grunzte und schnarchte weiter. Er lag halb sitzend auf vielen Kissen, mit einem Federbett zugedeckt und einer Nachtmütze auf dem Kopf.
    Die Vorhänge ließen genug Mondlicht durch, dass ihre Erinnerungen Substanz bekamen. Neben dem Bett standen Nachtkästen und auf seinem lag obenauf eine Pistole. Luzia sog tief die Luft ein. Nein, es roch nicht nach Schwarzpulver, die Waffe war nicht geladen. Dahinter lagen Ladestock und Pulverhorn. Wem wollte der Müller damit imponieren? Er schlief wie ein Adliger, der auf den Angriff des Nachbarn wartete. Die Pistole reizte sie. Solche Waffen waren wertvoll, aber schwer zu transportieren.
    Sie huschte zur Bettseite seiner Gemahlin. Die Müllerin hatte die Nachthaube tief ins Gesicht gezogen und das Deckbett so hoch, dass man kaum die Nasenspitze sah. Auf ihrem Nachtkasten stand die Schmuckschatulle, auf die Luzia es abgesehen hatte. In Windeseile und lautlos nahm sie das Kästchen an sich und verließ den Raum. In der Wäschekammer öffnete sie die Schatulle und nahm den Inhalt heraus. Die Brosche war dabei, mehrere Armreifen und eine Kette aus Münzen. Ah, und ein Medaillon, das sich öffnen ließ. Sie stopfte alles in ihre Taschen, genauer ansehen konnte sie sich das später. Jetzt stieg sie aus dem Fenster und rannte zu ihrem Quartier. Ein Kinderspiel. Es ging an der Mud entlang über das glatte Kopfsteinpflaster.
    Nur noch ein Katzensprung über den Marktplatz - oder ging sie besser den Umweg durch die Hintergassen? Einen Augenblick verharrte sie im Schatten eines überhängenden Balkons. Der Nachtwächter könnte zu früh kommen. Ach, was soll’s, dachte sie und rannte am Rande des Marktplatzes entlang. Direkt vor ihr schlug die Tür der Schänke auf. Ein Mann torkelte heraus. Biergeschwängerter Atem umwehte sie. Luzia konnte nicht schnell genug ausweichen. Mit der Schulter schlug sie im Fallen gegen die Hüfte des Mannes und spürte eine feste Gürtelschnalle. Im letzten Moment konnte sie sich fangen und rappelte sich auf. Die Hände des Mannes strichen über ihre Seite. Ein Finger verhakte sich in ihrer Jacke. Mit einem Ruck riss sie sich los und spurtete mit Höchstgeschwindigkeit davon. Nur noch zwei Straßen bis zu ihrem Quartier, sie atmete auf, als sie in den Hof einbog. Am Wassertrog wusch sie sich die Kohle aus dem Gesicht und war Minuten später wieder die nette Krämerin im Unterkleid. Uff .
    Für ein paar Atemzüge legte Luzia sich auf ihr Bett und schloss die Augen. Schluss jetzt. Das war der letzte Einbruch. Sie hatte genug. Es wurde Zeit, dass sie sich eine andere Stadt suchte. Zum Rhein als erstes, und dann ließ sie das Los entscheiden: Das erste Schiff, das sie mitnahm, sollte ihren weiteren Weg festlegen, nach Norden, in die Hansestädte, wo es wimmelte von reichen Kaufleuten, oder nach Süden ins Bayrische, die Wallfahrtswege entlang mit den gutgläubigen Pilgern. Luzia stand auf und legte die schwarze Kleidung zusammen. Eine Tasche war ausgerissen, das
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