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Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Titel: Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Autoren: Tatjana Stöckler
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hübsch.«
    »Wie alt bist du, Goldschmieds Peter? Zwölf? Dreizehn?«
    »Vierzehn. Ich bin erwachsen. Zumindest erwachsen genug, ein hübsches Weibsbild zu erkennen. Man zerreißt sich das Maul darüber, was du allein hier in der Stadt machst.«
    »Dann sieh zu, dass dein Maul nicht auch zerrissen wird! Ich bin eine achtbare Jungfer und warte darauf, dass mein Verlobter von der Wallfahrt kommt. Bis er mich heiratet, verkaufe ich Spitzen, Bänder und Litzen.«
    »Und wenn er nicht kommt? Verkaufst du mir dann einen Kuss?«
    Sie hatte die ganze Zeit mit gesenktem Blick dagestanden und ihm bereitwillig ihre Hand gelassen, die er jetzt mit seinen beiden Händen hielt. Kaum merklich lehnte sie sich zurück, während er sich erwartungsvoll vorbeugte. Mit einem Ruck riss sie ihre Hand zurück und sprang zur Seite, während Peter haltlos über das steile Ufer in den Bach stolperte. Er kam auf einem Stein auf, verlor das Gleichgewicht und platschte mit dem Hosenboden voran in das noch winterkalte Wasser. Luzia lachte laut auf. »Das, Peter, wird dich lehren, anständige Frauen um einen Kuss anzugehen!«
    Im Laufschritt ging es über den ausgetretenen Weg bis zu den ersten Häusern. Erst dort faltete sie gesittet die Hände vor dem Schoß und senkte den Blick. Bald hatte sie ihre Kammer wieder erreicht. So, so, der Peter vom Goldschmied. Seine Mutter hatte sie auch besucht mit ihren Spitzen, Bändern und Litzen. Ein schönes Haus, nur schlief immer jemand in der Werkstatt, wo Gold und Edelsteine lagen und auch die fertigen Preziosen. Nein, das sollten andere machen, sie wollte sich nicht mit Wachmännern anlegen. Dagegen war die Brosche der Müllerin interessanter. Dort gab es nur einen Hund, und mit dem hatte sie Freundschaft geschlossen. Die Müllerin hatte ihr schon zweimal Bänder abgekauft und unterhielt sich immer nett. Sie war stolz auf ihr schönes Haus und zeigte Luzia bereitwillig die wertvolle Einrichtung, die Fensterbehänge und Teppiche, die Gemälde und das Portrait, das sogar ein klein wenig Ähnlichkeit mit dem Müller hatte. Der gleiche Künstler hatte auch den Christopherus für die Kapelle an der Amorquelle gemalt.
    Noch vor Sonnenuntergang erreichte Luzia ihre Stube. Sie war froh über ihr Quartier, die Wirtin hatte sie herzlich aufgenommen und war eine Fundgrube für Klatsch aller Art. In dem uralten Fachwerkhaus quietschte der Dielenboden bei jedem zweiten Schritt und knarrte, die Dielen hatten sich überall gelockert und darunter wohnten Mäuse, trotzdem fühlte sie sich wohl.
    Ein kleiner Trick half Luzia, nach nur wenigen Stunden Schlaf aufzuwachen: Auf einen Dachbalken stellte sie zwei Wassergefäße. Aus einem großen floss es in ein kleines. Als dieses voll war, lief es über und tropfte Luzia ins Gesicht. Das weckte sie leise und sicher, nicht einmal den Schlaf aus den Augen reiben musste sie. Luzia hob eine der Holzdielen und nahm die Kleidung heraus, die eingeschlagen in ein Leintuch dort lag. Heute würde die Stadt wie in einen Totenschlaf sinken. In einer Nacht wie dieser, in der abergläubische Weiber Geister durchs Land fliegen sahen, würde niemand auf den Straßen flanieren. Durch die Kirchturmuhr erfuhr Luzia die Zeit, bald Mitternacht, und die Böttchersfamilie hatte schon längst das Land der Träume betreten.
    Mit wenigen Handgriffen verwandelte Luzia sich in einen Schornsteinfegerjungen. Ihre blonden Haare verschwanden unter einer schwarzen Kappe, sie trug einen dunklen Anzug und dunkle Stoffschuhe. Das Schwarz in ihrem Gesicht war nicht Ruß - der schmierte und ging schwer ab - sondern Holzkohlenstaub. Die weichen Ledersohlen ließen sie lautlos genau die Dielen finden, die nicht quietschten. Schnell schlüpfte sie auf die Gasse und huschte zwischen den finsteren Häusern hindurch. Am Marktplatz standen Laternen, die von dem Nachtwächter kontrolliert wurden. Er kam später, in einer Stunde etwa, hier vorbei. Auch mit ihm hatte Luzia sich angeregt unterhalten, als sie Bänder als Geschenk für seine Frau verkaufte, und alle Details seines Dienstes erfahren. Sie betrat nicht den Marktplatz, sah aber, dass es im Scheiterhaufen glimmte. Etwas bewegte sich. Das war doch wohl nicht noch immer der Schultheiß, der seinem Weib nachtrauerte? Er trug es schwer. Dabei gab es genügend Witwen und Jungfrauen im Ort, die ihn genommen hätten. Neunzig Gulden kostete ihn die Hinrichtung seiner Frau. Er hatte es dem Amtmann ausgezahlt, ohne lange suchen zu müssen. Nur kurz spielte Luzia mit dem
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