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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Autoren: Victoria Janssen
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Gegensatz zu Euch kann ich meine Haut retten.”
    Sylvie kam zurück, breitete ein paar Decken über Camilles Füße und zog sie von dort nach oben. “Ihr braucht Ruhe, Madame. Was muss ich tun, Annette?”
    “Überzeuge sie davon, sich einen anderen Mann zu suchen, der ihr ein Kind macht”, riet ihr Annette. “Und sorge dafür, das er gesund ist und Ähnlichkeit mit dem Herzog aufweist.”
    Der Herzog hatte Camille das Reiten verboten. Aber immerhin konnte sie ihre Pferde von den hohen weißen Mauern des Palasts aus in der Ferne beobachten. Zwei Wochen nach Madame Annettes Besuch spazierte sie auf den Palastmauern herum, wobei ihr die beiden Leibwächter, die Eunuchen Kaspar und Arno, stets auf den Fersen blieben. Sie wussten genau, wann die Herzogin nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung war. An diesem kühlen Frühlingsabend vermieden die beiden Eunuchen es sogar, leise miteinander zu reden.
    Hier oben wehte der Wind, der von weit her kam, heftiger, und sie nahm den Geruch des nahenden Regens wahr, der sich mit dem Duft von Gras und dem strengen Aroma der Pferdeäpfel von den Koppeln unterhalb der Palastmauern vermischte. Sie schlüpfte in eine kleine Nische, die sie, wenn man von den wachsamen Blicken ihrer Kastraten absah, vor aller Augen verbarg, und schaute hinunter zum Stall. Dort standen ihre Stute Guirlande und all die anderen Pferde, mit deren Ausbildung sie so viel Zeit zugebracht hatte.
    Soeben ritt der Stallbursche ihre Lilas, und sein regloser Körper schien mit dem geschmeidigen Rücken der Stute verwachsen zu sein, während das Tier die komplizierten Figuren der hohen Dressur in die lockere Erde der Reitbahn tanzte. Nur das dichte braune Haar des Burschen bewegte sich im Wind.
    Es war jetzt vier Jahre her, dass der Herzog ihr das Reiten untersagt hatte. Seit jenem Tag war sie nicht mehr in den Ställen gewesen, hatte weder ihre Pferde besucht noch mit den Pferdepflegern gesprochen. Aber sie hatte vor Jahren zugesehen, wie dem Stallburschen das Reiten beigebracht wurde. Sie war mit ihm ausgeritten, und sogar auf diese Entfernung erkannte sie seine perfekte Haltung und den guten Sitz. Ihre Lilas war bei ihm in guten Händen.
    Camille fragte sich, wie er wohl jetzt aussah, da er das Mannesalter erreicht hatte. Sie erinnerte sich an seine großen Hände, die dichten Wimpern und ein entwaffnend offenes Lächeln. Inzwischen musste er fast zwanzig sein und hatte sich vielleicht stark verändert. Ihr wurde bewusst, dass er halb so alt war wie sie. Wenn sie in den ersten Jahren ihrer Ehe mit Michel ein Kind geboren hätte, wäre der Stallbursche gerade in dem Alter, in dem ihr Sohn jetzt sein könnte.
    Sylvie hatte sie daran erinnert, dass die Augen des Stallburschen blau waren. Blau wie die Augen des Herzogs.
    Normalerweise hätte sie so lange auf der Mauer ausgeharrt, bis sie wenigstens auf jedes ihrer Pferde einen Blick geworfen hatte. Vielleicht hätte sie auch ein paar Zeichnungen in ihrem Skizzenbuch angefertigt. An diesem Abend aber wandte sie sich ab und steuerte den Flügel des Palasts an, in dem ihre Gemächer lagen. Unter den dünnen Sohlen ihrer Pantoffeln fühlten sich die Steine der Mauer kalt an. Das leise Klirren der Waffen verriet ihr, dass Kaspar und Arno ihr über die Treppe des Geschützturms nach unten folgten. Sie durchquerten das Geviert des akkurat gepflegten Gartens, der an die Stelle des alten, kahlen Kampfplatzes getreten war, und gelangten durch riesige, mit dem geschnitzten Wappen des Herzogs verzierte Mahagonitüren, welche jeweils von einem Diener in der herzoglichen Livree aufgehalten wurden, in das Innere des Palasts.
    Camille führte ihre Eunuchen an der verschlossenen Tür ihres Empfangszimmers vorbei zu einem versteckten Durchgang. Der schmale, abgelegene Gang zu ihrer Zimmerflucht war mit dicken Teppichen in Gold und Blau ausgelegt, die sich an ihren kalten Füßen angenehm anfühlten. Camille erlaubte sich nicht, ihre Schritte zu verlangsamen und gönnte den dezent gemusterten goldfarbenen Tapeten, den hinter farbigem Glas schimmernden Kerzen und den Pferdebildern an den Wänden keinen Blick. Sylvie würde inzwischen den Rest der Dienerschaft weggeschickt haben, sodass sie wenigstens eine knappe Stunde ungestört sein würden.
    Kaspar und Arno folgten ihr durch die vorderen Räume in ihr Schlafgemach, wo Sylvie sie bereits erwartete. Sie hockte auf der Kante eines zerbrechlich wirkenden, überreich verzierten Stuhls, den Camille noch nie gemocht hatte. “Alles
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