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Die Herrin von Rosecliffe

Die Herrin von Rosecliffe

Titel: Die Herrin von Rosecliffe
Autoren: Rexanne Becnel
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Abendessen herrschte in der Halle ungewöhnliche Stille, weil so viele Mitglieder des Hauses fehlten und auch keine Besucher da waren. Nur der Hunger hatte Odo veranlasst sein Arbeitszimmer zu verlassen, in das Isolde nicht einzudringen wagte. Mit vorwurfsvoller Miene nahm er neben ihr Platz. »Deine Mutter wird über solche Extravaganzen alles andere als begeistert sein. Weißt du eigentlich, was ein ganzer Ballen Leinen kostet?«
    »Ja, das weiß ich. Möchtest du Austern?« Isolde winkte einen Pagen mit der großen Servierplatte an die Seite des mürrischen Haushofmeisters. »Oh, übrigens habe ich den Koch gebeten, heute Mandelkuchen zu backen.«
    »Mandelkuchen?« Odos Miene hellte sich ein wenig auf.
    »Mandelkuchen?«, wiederholte Osborn, der rechts von Isolde saß. Sogar der schweigsame Vater Clemsen schaute interessiert auf. »Mandelkuchen! Mmm ... «
    Isolde gefiel sich in der Rolle einer wohltätigen Herrin. »Alle haben so schwer gearbeitet da dachte ich mir, sie hätten eine kleine Belohnung verdient - obwohl Mandeln teuer sind!«, fügte sie mit einem listigen Seitenblick auf Odo hinzu.
    Er räusperte sich verlegen. »Ja, Mandeln sind teuer, aber diese Großzügigkeit zahlt sich aus, weil die Dienstboten dann umso williger sind«, entschied er. »Natürlich sind Mandelkuchen aber nichts für jeden Tag.«
    Isolde grinste. »Für jeden zweiten?«
    Odo focht einen harten inneren Kampf aus, doch zuletzt siegte sein Verantwortungsbewusstsein über die Naschsucht. »Jeden dritten Abend - und an Sonntagen.«
    »Ausgezeichnet«, stimmte Isolde zu. »Oh, ich brauche zusätzliche Kerzen für mein Zimmer.«
    Der Haushofmeister runzelte wieder die Stirn. »Wozu?«, fragte er, eine saftige gebackene Auster im Mund.
    »Ich habe beschlossen, das Kruzifix selbst zu bemalen, und möchte es abends in meinem Zimmer machen, um ungestört zu sein.«
    »Warum nimmst du kein Binsenlicht?«
    »Weil der ölige Rauch in kleinen Räumen sehr schnell die Luft verpestet das weißt du doch.«
    Er starrte düster seinen Teller an. »Deine Mutter wird mir den Kopf abreißen, wenn ich solchen Luxus erlaube.«
    »Ich habe die Schlüssel!« Isolde klingelte demonstrativ mit dem Bund an ihrem Gürtel. »Stell dich nicht so an, Odo. Ich übernehme die volle Verantwortung und werde Mutter berichten, dass du dagegen warst. Osborn kann das jederzeit bezeugen.«
    »Das werde ich tun«, versprach Osborn. »Gibt es Sahne zu den Mandelkuchen?«
    »Natürlich.« Sie lächelte selbstsicher. »Und auch Zimt.«
    »Halleluja!«, seufzte der alte Ritter erfreut und die etwa vierzig anderen Personen in der Halle teilten seine Meinung.
    Nach dem Essen ließen mehrere Männer ihre Würfelbecher knallen. Osborn und Odo begannen eine Schachpartie. Magda brachte Isolde eine schön geschnitzte Harfe. Sie liebte dieses Instrument und spielte gern vor dem Zubettgehen, doch an diesem Abend stimmten die Klänge sie wehmütig. Trotz ihrer Müdigkeit fühlte sie sich rastlos.
    Vielleicht hätte sie doch mit der übrigen Familie nach London reisen sollen. Dort hätte sie vielleicht einen großen Mann mit breiten Schultern gefunden, dachte sie, und vor ihrem geistigen Auge tauchte das Bild des interessanten bärtigen Fremden auf, den sie im Ort gesehen hatte. In einer Großstadt wie London hätte sie bestimmt irgendeinen jungen Adligen getroffen, der ihr gefiel und auch ihrem Vater zusagte. Aber sie war viel zu eigensinnig gewesen - genauso eigensinnig wie er. Zusammen mit ihrer Mutter hätte sie ihn vermutlich umstimmen können, doch jetzt war es zu spät ...
    Sie stieß einen schweren Seufzer aus. Wo die Reisenden wohl die Nacht verbringen mochten? Wahrscheinlich in der Abtei von Build was, wenn sie gut vorangekommen waren. Wieder seufzte sie, das Kinn auf ihre Harfe gestützt.
    »Kann ich Euch irgendetwas bringen, Miss?«
    Isolde schaute auf. »Danke, Magda, ich komme allein zurecht. Du kannst jetzt ins Bett gehen. «
    Mit einem Knicks zog das hübsche Mädchen sich zurück. George, einer der Soldaten von Rosecliffe, trat lächelnd zu ihr und sie verließen die Halle Seite an Seite. Isolde starrte mit offenem Mund die Tür an, die hinter ihnen ins Schloss fiel.
    Das war also Magdas Liebster!
    Widerwillig gestand sie sich ein, dass sie heftigen Neid verspürte. Magda hatte einen Liebsten, sie selbst nicht! Und es war höchst unwahrscheinlich, dass sie in der Einsamkeit von Rosecliffe jemals einen finden würde.
    Verdrossen stellte Isolde die Harfe weg, stand
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