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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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erhalten«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Was erwartest du von mir?«
    »Nur, daß du zu ihr gehst. Sie braucht dich bei sich. Ich brauche dich, Viviane.«
    Der Schmerz in seiner Stimme traf sie tief. Sie kämpfte tapfer mit den widersprüchlichen Gefühlen, dann fiel ihr Blick auf ihn. »Du warst der Gehörnte, nicht wahr?« sagte sie leise. »Sie erwartet dein Kind.«
    Plötzlich erinnerte sie sich, wie der Gehörnte ihren Leib mit seinem Speer berührt hatte.
    Taliesin schlug die Hände vors Gesicht. »Ich weiß es nicht ... Ich hätte nie zugestimmt, wenn ich es gewußt hätte.«
    »›Kein Mann kann behaupten, mit der Herrin ein Kind gezeugt zu haben‹«, erinnerte sie ihn leise. »Der Gehörnte, das warst nicht du, Taliesin. Ich habe IHN gesehen und wußte nicht, daß du es warst. Und jetzt bring mich nach Hause.«

    »O Viviane, ich bin so froh, daß du gekommen bist!« Rowan kam eilig aus dem Haus der Herrin und drückte sie verzweifelt an sich. »Julia hatte mir noch alles gezeigt, aber ich weiß nicht mehr, was ich tun soll!«
    Viviane schüttelte den Kopf und sah ihre Freundin an. »Ich bin nicht einmal so gut ausgebildet wie du.«
    »Aber du warst beim letzten Mal bei ihr, und du bist ihre Tochter !«
    Rowans ganze Hoffnung war auf sie gerichtet. Das erinnerte Viviane an die Art, in der die Leute manchmal die Herrin von Avalon ansahen. Das gefiel ihr nicht.
    »Ich habe von deinem Kind gehört. Es tut mir sehr leid, Viviane«, fügte Rowan etwas spät hinzu.
    Viviane spürte, wie ihr Gesicht völlig ausdruckslos wurde. Sie nickte steif und ging an Rowan vorbei durch die Tür.
    In dem dunklen Raum hing der Geruch von Schweiß und Blut. Aber es war noch nicht der Tod. Viviane hatte den Geruch der Sterblichkeit inzwischen nur zu gut kennengelernt. Ihr stockte jedoch der Atem, als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnten und sie ihre Mutter auf dem Stroh liegen sah. Neben ihr saß Claudia, die einzige andere Priesterin, die mehr als ein Kind zur Welt gebracht hatte.
    »Warum ist sie nicht auf den Beinen?«
    »Sie ist am ersten Tag gelaufen und den größten Teil des zweiten«, erwiderte Rowan flüsternd. »Aber jetzt nicht mehr. Die Wehen haben sich verlangsamt, und der Gebärmuttermund ist enger als zuvor ... «
    »Viviane ... « Die Stimme ihrer Mutter klang schwach, aber sie hatte den gewohnten Befehlston, der Viviane stets zum Widerspruch reizte.
    »Ich bin da.«
    Es gelang Viviane trotz der Betroffenheit über das verzerrte Gesicht und die unförmige Gestalt ihrer Mutter ruhig zu sprechen. »Was willst du von mir?«
    Erstaunlicherweise kam als Antwort ein dünnes Lachen. Dann seufzte Ana. »Vielleicht könnten wir mit Vergebung beginnen ... «
    Wie konnte ihre Mutter wissen, daß Viviane geschworen hatte, ihr niemals zu verzeihen? Neben dem Bett stand eine niedrige Bank. Viviane spürte plötzlich, wie erschöpft sie war, und setzte sich.
    »Ich bin eine stolze Frau, meine Tochter. Ich glaube, das hast du von mir geerbt ... Ich habe darum gekämpft, all das, was ich an mir am meisten hasse, in dir auszurotten. Mit wenig Erfolg ... « Sie verzog bitter den Mund. »Hätte ich mich beherrscht, hättest du dich vielleicht auch beherrscht. Mein Kind, ich wollte dich wirklich nicht davonjagen.«
    Ihr Blick richtete sich nach innen, als ihr Leib sich verkrampfte. Viviane konnte erkennen, daß es eine schwache Wehe war. Als Ana sich wieder entspannte, beugte sie sich vor.
    »Mutter, ich werde dich nur einmal fragen. Aber diese Frage muß ich dir stellen. Hast du einen Zauber benutzt, um mir oder meinem Kind Kraft zu entziehen?«
    Ana erwiderte offen ihren Blick. »Ich schwöre bei der Göttin, daß ich das nicht getan habe.«
    Viviane nickte. Anas Wehen mußten etwa um die Zeit eingesetzt haben, als Eilantha gestorben war. Doch nun glaubte sie, daß eine mögliche Verbindung zwischen beiden Ereignissen nicht durch den Willen ihrer Mutter hergestellt worden war. Es war bestimmt weder die Zeit noch der Ort, um der Göttin Vorwürfe zu machen. Möglicherweise mußte sie aber noch später mit IHR verhandeln.
    »Dann vergebe ich dir. Ich bin wie du. Eines Tages werde ich vielleicht selbst einmal Vergebung brauchen.«
    Ana wollte etwas erwidern, aber in diesem Augenblick setzte eine neue Wehe ein. Danach wirkte sie sehr viel erschöpfter.
    »Denkst du darüber nach, was du für mich tun kannst? Dir fehlt das Wissen, und ich bezweifle, daß mir selbst Julia helfen könnte.«
    »Vor drei Tagen habe ich
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