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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Himmels.
    »Mutter des wissenden Lichts, heller Schein im Gang der Jahreszeiten, Göttin der Nacht ... «
    Ihr Blick sammelte sich im Glanz des silbernen Mondes. In ihrer selbstlosen Hingabe trennte sie nichts mehr von der Göttin.
    »Komm zu uns, Herrin der Nacht! Laß uns DEIN Spiegel sein!«
    »Herrin der Nacht, Herrin der Weisheit ... «
    Im Einklang der immer vollkommener miteinander verschmelzenden Stimmen erfaßte die Priesterinnen der einigende Atem des Überirdischen. Im Bann der beschworenen Kraft griffen sie gleichzeitig nach ihren Spiegeln. Singend bildeten sie vor dem Altar, hinter dem Caillean stand, einen Halbkreis und hoben die Hände zur Göttin. Der Gesang wurde zu einem leisen rhythmischen Summen.
    »Herrin, komm zu uns! Herrin, erhöre uns! Herrin, erscheine ... JETZT!«
    In den zwölf silbernen Spiegeln blitzten weiße Strahlen, die in blassen Kreisen über das Gras tanzten und schließlich den Altar trafen. In dem Gefäß des heiligen Grals schimmerte das Wasser, das unter den eingefangenen Mondstrahlen zu blitzen und zu funkeln begann und sich plötzlich selbst in reines Licht verwandelte.
    »Göttin, DU Namenlose mit den vielen Namen«, flüsterte Caillean. »Göttin, die DU keine Gestalt und doch viele Gesichter hast! DEINE Strahlen sammeln sich in unseren Spiegeln und werden zu den Boten DEINER Weisheit. Unsere Herzen öffnen sich DIR! Göttin, wir rufen DICH! Erscheine uns und schenke uns DEIN Wissen!«
    Die Priesterinnen verstummten. Erwartungsvolle Spannung breitete sich aus. Ihre Blicke, ihre Wünsche, ihre Kräfte, ihr ganzes Dasein richtete sich auf das Licht im Gral. Caillean spürte das vertraute Sich-Öffnen ihres Bewußtseins in Erwartung der göttlichen Kraft. Ihr Körper schien sich aufzulösen, die Gedanken wichen einer grenzenlosen Leere, und nur der innere Blick ihrer sehenden Augen gab ihr Halt.
    Doch dann veränderte sich das Bild. Die Strahlen schienen zu pulsieren, wurden noch heller und verschmolzen zu gebündeltem Glanz, in dem sich eine Lichtgestalt formte, die schimmerte und sie mit hellen Augen ansah.
    » Göttin ... «
    Das Herz der Hohepriesterin öffnete sich ihr weit.
    » Ich habe alle verloren. Wie soll ich allein weiterleben? «
    » Du bist wohl kaum allein ... du hast deine Schwestern und Töchter! «
    Die Antwort der Göttin klang wie eine Zurechtweisung, vielleicht auch ein wenig belustigt.
    » Du hast jetzt einen Sohn ... und vergiß nicht, du hast MICH! «
    Caillean sah wie aus weiter Ferne, daß sie inzwischen auf der Erde kniete. Ihre Seele aber näherte sich der Göttin, die auf sie herablächelte. Die Liebe, die sie der Göttin angeboten hatte, wurde ihr im Übermaß geschenkt. Alles um sie herum war vergessen.
    Der Mond hatte den höchsten Punkt am Himmel bereits überschritten, als Caillean das Bewußtsein wiedererlangte. Die Göttin hatte die Priesterinnen mit ihrer Anwesenheit beehrt, aber SIE war nicht mehr da. Die Luft schien noch kälter als am Anfang der Nacht zu sein. Auch die anderen Frauen erwachten aus der Trance. Caillean bewegte mit lang geübter Disziplin die steifen Muskeln und erhob sich fröstelnd. Wie in Wolkenfetzen, die der Sturm vor sich her treibt, erinnerte sie sich an die Gottheit, die zu ihr gesprochen hatte. Es waren ihr wichtige Dinge anvertraut worden, die sie unbedingt wissen mußte, doch die Worte der Göttin verblaßten mit jedem weiteren Augenblick.
    »Göttin, DU hast uns DEINEN Segen geschenkt. Wir danken DIR ... «, murmelte Caillean benommen. »Gib uns die Kraft, DEINEN Segen der Welt weiterzugeben.«
    Die Priesterinnen bildeten noch einmal den Kreis der Kraft und dankten den Wächtern der Nacht. Kea trat vor den Altar, hob den Gral und goß das Wasser in einem hellen Strahl auf den Stein. In Gegenrichtung zum Lauf der Sonne umkreisten sie den heiligen Platz und machten sich an den Abstieg. Caillean blieb neben dem Altar stehen.
    »Herrin, kommst du nicht mit uns? Es ist sehr kalt hier!«
    Eilned war zurückgeblieben und wartete auf die Hohepriesterin.
    »Schon gut«, erwiderte Caillean leise. »Ich muß über einiges nachdenken. Ich bleibe noch eine Weile. Mach dir keine Gedanken, der Umhang ist warm genug«, fügte sie lächelnd hinzu, obwohl sie fror. »Geh hinunter, ich komme nach.«
    »Wie du meinst ... « Die junge Frau zögerte, aber Cailleans Worte waren ein Befehl. Sie drehte sich langsam um und verschwand in der Dunkelheit.
    Caillean kniete neben dem Altar nieder. Sie umschlang den kalten Stein mit beiden
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