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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin
Autoren: Frederik Berger
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Mutter, die umgeben ist von schwebenden und schwingenden Seidentüchern wie von Fittichen großer Traumvögel. Alle lächeln, lachen und necken mich. Selbst die Hunde scheinen lachend zu bellen und mich zu umspringen, die Katzen streichen an meinen Beinchen vorbei, und der kleine Singvogel pickt mir das Futter von den Lippen.
    Später bahnen wir uns einen Weg durch die Labyrinthe der Gassen, in denen das Geschrei der Händler, Ausrufer und Kutscher sich bricht, an Ständen vorbei, in denen Duftwässer und Riechsalben, Schönheitspulver und würzige Kräuter verkauft werden, damit sich vor den Mauern des Kaiserpalasts eine Mauer der Wohlgerüche erhebe. Weihrauch umwabert uns, bis wir vor den geöffneten Flügeln des riesigen Portals stehen und in das Allerheiligste eintreten dürfen. Himmelragende Säulen und Marmor, der in allen Farben und Mustern schimmert, kostbare Gewänder und gedämpftes Stimmengemurmel. Wir werden zum Kaiser geleitet, der mich freundlich begrüßt und mir Naschereien in den Mund steckt. Ich rieche noch den Duft von Zeder und Aloë, sehe seine spitzen Finger, höre die hohe Stimme und lausche dem Gesang, der sich in den hohen Hallen bricht. Wir küssen die Ikonen, und später zeigt mein Vater dem Kaiser silberglänzende Teller, die er an alle Küsten der Meere verschickt, um so den Ruhm und Reichtum unserer Familie und des Reichs zu mehren, und der Kaiser überreicht ihm ein kostbares Gewand und eine Kette aus Gold.
    Schon früh genieße ich es, mit meiner Mutter unter den Kolonnaden der Mese zu lustwandeln und durch die Läden zu schlendern, in denen Seidentücher und Elfenbeinschnitzereien verkauft werden. Ermüden wir, lassen wir uns in einer Sänfte zu den Bädern des Zeuxippos tragen, wo die reichen Damen sich treffen, um die wichtigen Neuigkeiten und den letzten Klatsch auszutauschen.
    In den Stunden, in denen draußen die Hitze glüht, liebe ich auch, mich im kühlen, winddurchhauchten Raum mit einem Lehrer über die Buchstaben der Bücher zu beugen. Als ich älter wurde, sprach mein Vater mit mir über die Bedeutung von Recht und Frieden, die es ermöglichen, daß die Menschen in Fleiß und Erfindungsgabe sich entfalten, in Handel und Wandel dem Wohlergehen der Familie, der polis und des Reichs dienen und so den Wohlstand mehren können. Leider ziehe der Wohlstand auch Neid nach sich, räuberische Gier, doch gebe es kein besseres Mittel, Frieden und Recht zu erhalten.
    Weil mein Vater kein Mann der Theorie war, sondern der Praxis, zeigte er mir, wie er seinen Wohlstand erschaffen hatte und am Leben hielt, er führte mich in die Werkstätten der Handwerker und ließ mir ihre Kunst vorführen, Keramikkrüge und silbergetriebene Teller zu schaffen. Anschließend sprach er über die Bedürfnisse der Menschen im Reich und darüber hinaus in den westlichen Ländern, nicht nur wie die Hunde aus einfachen Holztellern zu essen, sondern aus verziertem Ton und edlem Silber. Mein Vater ging sogar so weit, mir und meiner unersättlichen Wißbegierde die Grundlagen der Buchhaltung zu erläutern.
    Natürlich wußte er, daß dies seiner Tochter nicht genügen würde, und so fand er Euthymides, einen bärtigen Griechen aus der Schule des Epikur, der mich Latein, dann auch Grammatik, Rhetorik und Dialektik lehrte, schließlich Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie, der mit mir die Schriften der großen Schriftsteller las, Boëthius natürlich, Homer und Herodot, Aischylos und Sophokles, später auch Platon. Wir sangen die Lieder der Sappho, wanderten im Schatten der Säulengänge und sprachen über den Philosophen des Glücks. Ich liebte meinen Lehrer sehr, denn er war nie aus der gelassen lächelnden Ruhe zu bringen. » Αταραξία , ataraxia, mein Kind, ist der eine Schlüssel zum Glück. Um Seelenfrieden und Gleichmut eines heiteren Gemüts zu erreichen, müssen die Schmerzen dich meiden, so schwer dies zu erreichen ist. Απουία , aponia , ist also der zweite Schlüssel.«
    »Wie erlange ich diese Schlüssel?« fragte ich ihn. »Durch Reichtum, wie mein Vater, oder durch Macht, wie der Kaiser? Durch ruhmreiche Siege auf dem Schlachtfeld, wie der kluge Stratege und der tapfere Schwertkämpfer?«
    Euthymides schüttelte den Kopf, und ich sah, während ich ihn neugierig anschaute, ein paar seiner grauen Härchen in der Sonne leuchten. »Du wirst nie auf einem Schlachtfeld kämpfen, mein Kind, und ob du einen Kaiser heiratest, steht in den Sternen. Was den Reichtum angeht: Du hast keine
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