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Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Titel: Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)
Autoren: K. R. Adam
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Bilanz zu ziehen und abzuhaken, was man erreicht hat und was nicht. Was hatte man sich zu Beginn des Jahres nicht alles vorgenommen, wie viele ehrgeizige Pläne geschmiedet, wie wenig davon in die Tat umgesetzt. Hinzu kommt ein Gefühl der Hilflosigkeit, das einen beschleicht, wenn man sich fragt, was man eigentlich das Jahr über gemacht hatte und wo die Zeit geblieben ist. Hatte man überhaupt gelebt oder war man von anderen gelebt worden und hatte nur mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks funktioniert? Immer schneller verging die Zeit und immer deutlicher wird einem bewusst, dass man nur dieses eine Leben zu Verfügung hat. Wie unendlich lang erschien einem Fünfjährigen die Zeitspanne von einem Weihnachten zum anderen, während man sich als Erwachsener an die zurückliegenden Feste erinnerte, als hätten sie gestern und vorgestern und vorige Woche stattgefunden. Verfolgt von der Angst, am Leben vorüberzugehen und hilflos zusehen zu müssen, wie die Jugend entschwindet, möchte man am liebsten die Notbremse ziehen und die Zeit anhalten. Und was gäbe man nicht darum, könnte man noch einmal von vorn anfangen und dabei all die Fehler vermeiden, die man begangen hat.
    Leider hat niemand diese Möglichkeit, auch der nicht, dessen Sprung ins Leben sich vielleicht von Anfang an als Fehlstart erwiesen hat. Sein Schicksal bleibt der Versuch, den Vorsprung der anderen aufzuholen oder irgendwelche ihm von Geburt anhaftende Makel durch besondere Leistungen auszugleichen. Wie niederschmetternd sind solche Erkenntnisse vor dem Fest! Wer klug ist, verschwendet nicht allzu viel Zeit an derlei düstere Gedanken, denn schon während er grübelt, vielleicht neue Pläne schmiedet und die Ziele für das kommende Jahr absteckt, geht wieder kostbare Zeit verloren. Ein Teufelskreis.
    Dennoch hat man diesen Einschnitt vor dem Jahreswechsel nötig, um sein Leben zu ordnen und zu sich selbst zu finden. Mag dabei der Versuch zu retten, was noch zu retten ist, auch von vornherein zum Scheitern verurteilt sein, so wundert man sich doch, woher man die Kraft nimmt, alles wegzustecken und, was noch erstaunlicher ist, trotz aller Niederlagen und Enttäuschungen immer wieder Hoffnung und neuen Mut zu schöpfen. Ist das die Hilfe, die wir von Gott erwarten? Greift er uns hier unter die Arme, ohne dass wir es merken? Niemand vermag darauf eine Antwort zu geben.
    Für mich stellt Weihnachten ungeachtet der Melancholie und depressiven Stimmung, die auch bei uns Schwulen in diesen Tagen gern aufkommt, die schönste Zeit des Jahres dar. Erinnerungen an die Kindheit werden wach, als man den Christbaum in der guten Stube bestaunte und voller Ungeduld darauf gewartet hat, die Geschenke auspacken zu dürfen, die unter dem Baum lagen. In meiner Jugend, wenige Jahre nach dem Krieg, konnte man sich noch an Kleinigkeiten erfreuen. Und wie damals verbreiten auch jetzt Kerzen einen warmen Glanz in den Stuben, während der Duft von Weihnachtsgebäck die Häuser erfüllt. Für ein paar Tage hält die Welt den Atem an, scheinen sich die Menschen auf den Sinn des Lebens konzentrieren zu wollen. In den Städten herrscht der übliche vorweihnachtliche Trubel und alle spielen verrückt. Vielen erscheint Weihnachten schon allzu sehr kommerzialisiert, doch allen Unkenrufen zum Trotz nehme ich mit Wonne an diesem Trubel teil. Geld für Geschenke übrig zu haben, mit denen man Familie und Freunde bescheren kann, ist letztlich ein Zeichen dafür, dass es einem gut geht. Dafür sollte man dankbar sein.
    Wenn einmal eine andere Zeit kommt, wie sie von den Alten, die zwei Weltkriege und die entbehrungsreichen Jahre danach erlebt haben, gern heraufbeschworen wird, kann man immer noch zurückstecken und seine Bedürfnisse einschränken. Solange es geht, sollte man Weihnachten zu dem machen, was es seinem Charakter nach ist, ein Freudenfest, bei dem es keineswegs nur besinnlich und frömmelnd zugehen muss. Seit ich einmal einen GI kennengelernt und mit ihm und seinen Freunden Weihnachten gefeiert habe, halte ich es gern mit den Amerikanern, die daraus ein fröhliches Fest mit Musik, Tanz und Konfetti machen.
    Was die Musik zu Weihnachten angeht, so gab es für mich, solange ich denken konnte, nur ein Lied, das mich in seinen Bann schlug und von morgens bis abends in unzähligen Versionen auf dem Plattenteller lag oder aus dem Radio klang. Es heißt Oh come all ye faithful oder auf Deutsch Oh kommet all Ihr Gläubigen , und eine der besten Plattenaufnahmen davon stammt von
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