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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin
Autoren: Lion Feuchtwanger
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redselige, behagliche Johannes von Viktring.
    »Lehrreich ist es und schön, das Treiben der Großen zu sehen«, zitierte dieser einen antiken Klassiker, und beide hatten sie ihre große, stille, sportliche Freude an der Diplomatie des Luxemburgers. Sie waren nicht unbescheiden; ob Heinrich, ob der Luxemburger, ob der Habsburger, sie werden von jedem herauszubekommen wissen, was sie für ihre freundlichen, sauberen, fetten Abteien brauchten. So warteten sie mit fast unparteiischer Neugier, wie der Kampf zwischen Albrecht von Österreich und Johann von Böhmen ausgehen werde, und beschauten mit Wohlwollen die dicke, fromme, gutmütige, lebenslustige Schachfigur, die König Heinrich in dem hohen Spiel der drei mächtigsten Deutschen darstellte.
    Die Herren holten den König ein, der straffer auf seinem Pferd saß, sahen, wie er sich aufgehellt hatte, errieten seinen Entschluß, sich von dem Habsburger unter allen Umständen die Braut verschreiben zu lassen. Nun ja, so oder so, einmal mußte die Angelegenheit zum Streich kommen. Gut, man wird sich also auf den Habsburger einstellen.
    Doch als nach wenigen Monaten die Zelte von Wilten sich endlich wirklich mit den Festgästen bevölkerten, war freilich eine andere Beatrix die Braut, jene, die Albrecht von Österreich vorgeschlagen hatte, Beatrix von Savoyen; allein Johann von Luxemburg hatte sich eingeschoben, Johann von Luxemburg hatte die Hochzeit vermittelt, den Vorvertrag unterzeichnet und garantiert, Johann von Luxemburg zahlte die Mitgift oder versprach wenigstens, sie zu zahlen, und sein kleiner Sohn Johann war der Bräutigam Margaretes von Kärnten und Erbe des Landes in den Bergen.
    *
    Die zwölfjährige Margarete, Prinzessin von Kärnten und Tirol, reiste von ihrem Stammschloß bei Meran nach Innsbruck zur Hochzeit mit dem zehnjährigen Prinzen Johann von Böhmen. Ihr Vater, König Heinrich, hatte ihr vorgeschlagen, sie solle die nahe Straße über den Jaufenpaß nehmen. Aber sie zog den riesigen Umweg über Bozen und Brixen vor, denn sie wollte sich weiden an den Huldigungen der menschenvollen Siedlungen an dieser Straße.
    Sie reiste mit großem Gefolg. Die Herren ritten langsam, die schöngeschmückten, kostbaren Planwagen der Damen knarrten holpernd die bergigen Straßen hinauf, hinab, stießen erbärmlich. Viele Damen zogen Maultiere vor, trotzdem sich das eigentlich nicht schickte, oder sie ließen sich auch für eine kurze Strecke von den Herren aufs Pferd nehmen.
    Die kleine Prinzessin saß in einer prunkvollen Roßsänfte mit ihrer Hofmeisterin, einer Frau von Lodrone, und ihrem Kammerfräulein Hildegard von Rottenburg, einem dürren, unansehnlichen, ungeheuer dienstwilligen Geschöpf. Die beiden Damen seufzten und lamentierten immerzu über den Staub der schlechten Straße, den Gestank der Pferde, das endlose Geschaukel; aber die Prinzessin ertrug die Strapazen ohne leiseste Klage.
    Still und ernsthaft saß sie, aufgeputzt, pomphaft.
    Die Taille war so eng, daß sie sie schnürte; die Ärmel aus schwerem, grünem Atlas hingen übertrieben modisch zum Boden; ein Eilkurier hatte ihr aus Flandern eines der neuartigen, kostbaren Haarnetze bringen müssen, wie sie eben dort aufgekommen waren. Eine schwere Halskette prahlte über dem Ausschnitt, große Ringe an den Fingern. So saß sie, ernsthaft, schwitzend, überladen, prunkvoll zwischen den verdrießlichen, ewig jammernden Frauen.
    Sie sah älter aus als ihre zwölf Jahre. Über einem dicklichen Körper mit kurzen Gliedmaßen saß ein großer, unförmiger Kopf. Wohl war die Stirne klar und rein, und die Augen schauten klug, rasch, urteilend, spürend; aber unter einer kleinen, breiten, platten Nase sprang der Mund äffisch vor mit ungeheuren Kiefern, wulstiger Unterlippe. Das kupferfarbene Haar war hart, spröde, stumpf, ohne Glanz, die Haut kalkig grau, bläßlich, unrein, lappig.
    So fuhr das Kind von Kärnten durchs Land unter einem strahlenden Septemberhimmel. Wo sie hinkam, grüßten Zinken und Trompeten, Glocken läuteten, Fahnen wehten. In Brixen holten Bischof und Kapitel feierlich die Tochter und Erbin ihres Schirmvogts ein.
    Die großen Feudalaristokraten empfingen sie an den Grenzen ihrer Lehensherrschaften. Am Weichbild der Städte erwarteten sie mit festlichem Gruß die Behörden.
    In klarer, kluger, lateinischer Rede, herrisch und sehr erwachsen erwiderte Margarete die unterwürfigen Worte der Huldigenden. Ehrfürchtig starrte das Volk sie an, grüßte sie wie das Sanktissimum, hob die
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