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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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mehr losgelassen.
    »Ebene zwei«, sagte Emparak, nachdem sie eine weitere der breiten Steintreppen hinabgestiegen waren. Er wies auf ein unauffälliges kleines Schild, auf dem die Zahl in einer uralten Form aufgemalt war.
    »Ist das die zweite Ebene von unten her?«, fragte Lamita.
    »Nein. Es gibt keinerlei Zusammenhang. Das Archiv ist unzählige Male ausgebaut, umgebaut, erweitert und umgeordnet worden.« Er lachte spöttisch. »Unter uns existieren noch vierhundert weitere Ebenen. Kein Rebell war jemals so weit unten.«
    Sie wanderten einen breiten Gang entlang. Bei einem Schild, das den Buchstaben L in einer Form zeigte, wie sie zu Zeiten des dritten Kaisers in Gebrauch gewesen war, bogen sie in einen schmaleren Seitengang ein, und dann begann eine Wanderung vorbei an Archivschränken und geheimnisvollen Artefakten, Gerätschaften und Kunstwerken, die Lamita schier endlos vorkam. Die auf den Schildern verwendeten Zahlzeichen durchliefen hunderttausend Jahre semiotischer Entwicklung, bis sie bei der Zahl 967 anlangten, in einer vor achtzigtausend Jahren gebräuchlichen Schreibweise.
    Emparak öffnete einen großen Schrank, der nur einen Türflügel hatte. Diesen Türflügel klappte er auf, so weit es ging, und schaltete dann das Deckenlicht ein.
    An der Innenseite der Schranktür hing ein Haarteppich.
    Lamita merkte nach einer Weile, dass ihr Mund offen stand, und sie schloss ihn wieder.
    »Also doch«, sagte sie. »Das Archiv weiß also doch etwas über Haarteppiche.«
    »Das Archiv weiß alles über Haarteppiche.«
    »Und du hast das die ganze Zeit verschwiegen.«
    »Ja.«
    Lamita spürte ein albernes Kichern in sich hochblubbern wie Blasen in Wasser, das endlich zum Kochen kommt, und sie hielt es nicht zurück. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte, dass es von überall her widerhallte. Durch Tränenschleier sah sie, dass Emparak sie schmunzelnd beobachtete.
    »Archivar«, prustete sie in einem vergeblichen Versuch, streng zu klingen, als sie wieder Luft bekam, »Ihr werdet mir jetzt sofort alles verraten, was Ihr über diese Angelegenheit wisst. Andernfalls fessle ich Euch ans Bett und lasse nicht eher von Euch ab, bis Ihr redet.«
    »Oh«, machte Emparak. »Eigentlich wollte ich dir gerade die ganze Geschichte erzählen, aber jetzt bringst du mich wirklich in Versuchung zu schweigen …«
    Er zog eine große, in alterungsbeständige Folie eingeschweißte Sternkarte hervor. »Gheera war einst ein blühendes Königreich, dessen Entstehungsgeschichte sich, wie wir dies von fast allen alten Reichen der Menschheit kennen, im Dunkel der Frühzeit verliert. Dieses Königreich wurde vom zehnten Kaiser, also dem Vorgänger des letzten Kaisers, entdeckt und überfallen – aus keinem anderen Grund als dem, dass es existierte und der Kaiser es beherrschen wollte. Ein Krieg entbrannte, der lange dauerte und viele Opfer forderte, in dem Gheera aber nie wirklich eine Chance gegen die kaiserliche Kriegsflotte hatte und also schließlich unterlag.«
    Er deutete auf eine Reihe altertümlicher Bildspeicher. »Der König von Gheera hieß Pantap. Er und der Kaiser traten einander das erste Mal auf Gheerh gegenüber, als das Königreich besiegt war. Der Kaiser verlangte von Pantap eine feierliche, öffentliche Unterwerfungsgeste.« Emparak sah Lamita an. »Willst du das Material mit nach oben nehmen?«
    »Wie? Ach so«, nickte sie, »ja, selbstverständlich.«
    Emparak verschwand in einem nahen Quergang und kehrte mit einem leichten, rollbaren Behälter aus Draht zurück. Er legte die Sternkarte und die Bildspeicher hinein.
    »Gheerh muss damals eine wunderschöne, lebendige Welt gewesen sein«, fuhr er fort und zog eine uralte Mappe hervor. »Dieser Bericht beschreibt Gheerh. Er nennt den Planeten ein Kleinod des Universums und rühmt die zahllosen Kunstschätze, die weise Lebensart der Bewohner und die Schönheit der Landschaften.«
    Lamita nahm die Mappe vorsichtig entgegen und verstaute sie ebenfalls in dem Drahtbehälter.
    »Wusstest du, dass der zehnte Kaiser zeitlebens glatzköpfig war?«, fragte Emparak.
    Lamita hob erstaunt die Augenbrauen. »Dann habe ich die falschen Fotos gesehen.«
    »Natürlich trug er Implantate, aber diese mussten alle paar Monate erneuert werden, weil sein Körper sie abstieß. Es war eine allergische Reaktion, die ihn sein ganzes langes Leben hindurch verfolgte – möglicherweise bestand ein Zusammenhang mit seiner Langlebigkeitsbehandlung, man weiß es nicht. Was man weiß, ist, dass er
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