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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Ingrid Hedström
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der kleinen Gruppe.
    – Nathalie, sagte sie, sollten Sie nicht im Krankenhaus sein? Oder wenigstens zu Hause und ruhen?
    Die Journalistin zuckte die Achseln.
    – Ich wurde gestern aus dem Krankenhaus entlassen, sagte sie, und ich werde eine Weile nicht arbeiten. Ich bin nur hier, um mit den Leuten ein bißchen zu reden und ein paar Telefonnummern zu bekommen. Das hier ist Fabiens Story, und jetzt werde ich sie für ihn schreiben. Das ist das mindeste, was ich für Fabien tun kann.
    Jean-Claude Becker und seine Gruppenleitung saßen in der Gewerkschaftsgeschäftsstelle und entwickelten eine Strategie, wie sie die Geschäftsführung von Forvil dazu bringen könnten, zumindest einige der Arbeiter, die nach dem anscheinend unvermeidlichen Konkurs von Berger Rebar ihre Jobs loswerden würden, wieder einzustellen. Als Martine hineinschaute, unterbrach Jean-Claude die Sitzung, um mit ihr zu sprechen.
    – Merkwürdig, sagte er, als sie erzählt hatte, was sie erzählen konnte, Morel und ich hatten recht bei Berger, aber Morel ist der größere Schurke.
    – Du bist Berger ein paarmal begegnet, sagte sie, wie fandest du ihn? Abgesehen davon, daß er ein Betrüger und Wirtschaftsverbrecher war und du nachgesehen hast, ob die Hand noch da war, nachdem du ihn begrüßt hattest?
    Sie wußte selbst nicht ganz, warum sie fragte, aber vielleicht hatte es etwas mit ihren eigenen widersprüchlichen Gefühlen gegenüber Stéphane Berger zu tun.
    – Ja, ich habe ja schon gesagt, daß er Charme hatte, sagte Jean-Claude zögernd, und ich schäme mich eigentlich, das zu sagen, aber obwohl ich sicher war, daß er ein Schurke war, hat der bei mir gewirkt. Er hatte etwas an sich, das ichbeinah mochte. Ich hätte mit ihm gern ein Bier getrunken, wenn er sich nicht damit beschäftigt hätte, Unternehmen zu schließen und Leute zu betrügen. Aber wir leben in einer Zeit, die solchen wie Berger Raum bietet, Martine. Die Welt verändert sich. Mein Bruder, der Schweißer war, hat sich umschulen lassen und einen Job bei einer Bank gefunden, und ich glaube nicht, daß das schlecht ist. Ich selbst will hierbleiben, solange es geht, aber früher oder später werde ich gezwungen sein, wieder an die Universität zu gehen. Ehe du dich’s versiehst, siehst du mich als Bankjuristen im Nadelstreifenanzug.
    Er lächelte schief, aber mit einem Funken von Wehmut in den grauen Augen.
    Am Nachmittag fuhr Martine zu Nunzia Paolinis Büro an der stillgelegten Grube in Foch-les-Eaux hinaus, um zu erzählen, daß vieles dafür sprach, daß Arnaud Morel hinter Giovanna und Tonio Paolinis Tod steckte. Der Mord war verjährt, deshalb hinderte sie nichts daran, darüber zu sprechen. Sie erzählte auch, daß Stéphane Berger Istvan Juhász war, und sah, wie sich die dunklen Augen der anderen Frau mit Tränen füllten.
    Später bekam Martine Besuch von Daniel Lind, Sophies Sohn, den sie gern hatte. Bei sich hatte er eine junge Frau mit langen braunen Haaren und festem Blick aus blaugrünen Augen, die er als Maria Matsson, Tochter der toten Birgitta, vorstellte. Mit Daniel als Dolmetscher ging Martine zwei Stunden lang durch, was Birgitta Matsson zugestoßen war, und beantwortete die Fragen von deren Tochter.
    – Das war so typisch Mama, sagte die junge Frau traurig, wenn ihr etwas zweifelhaft erschien, kam sie immer direkt zur Sache und ging ganz bis nach oben, um Antwort auf ihre Fragen zu bekommen.
    – Es tut mir leid, daß ich sie nie kennengelernt habe, sagte Martine und meinte es auch, sie muß eine bemerkenswerte Frau gewesen sein.
    – Das war sie, sagte Daniel und drückte verstohlen Marias Hand, aber ihre Tochter ist auch eine bemerkenswerte Frau, und von ihr wirst du vielleicht mehr sehen.
    Marias Blick begegnete seinem, und ein Lächeln jagte eine Sekunde die Trauer aus ihrem Gesicht.
    Nach dem Gespräch rief Thomas an und fragte, ob sie früh nach Hause kommen könne. Henri Gaumont hatte ihnen Karten für eine Galavorstellung in der Opéra de la Monnaie angeboten, die er nicht nutzen konnte.
    – Versuch, rechtzeitig da zu sein, Martine, sagte Thomas, etwas Musik und Feststimmung würden dir guttun!
    Sie kam rechtzeitig nach Hause, schaffte es ausnahmsweise, die Haare perfekt aufzustecken, und zog Tatias perlenbesticktes schwarzes Kleid an. Es paßte wie ein Handschuh.
    Ein paar Stunden später sah sie ihr eigenes Bild in einem Spiegel im Foyer der Oper, glitzernd mit den Diamantohrgehängen und dem schönen Kleid, und meinte, sie sehe eine Fremde, eine
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