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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin
Autoren: Jocelyne Godard
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ist nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Usurpator.«
    Â»Schweigt!«, rief der Staatsanwalt. »Es steht Euch nicht zu, in dieser Angelegenheit ein Urteil zu fällen.«
    Â»Ich schweige erst, wenn ich alles Wichtige gesagt habe.«
    Â»Ruhe!«, schrie der Staatsanwalt nun.
    Aber der Richter entschied: »Erzählt.«
    Â»Dieser Mann wurde dabei beobachtet, wie er eines Abends meine Werkstatt betreten hat.«
    Â»Das habt Ihr bereits bei einer früheren Anhörung behauptet, aber die Aussage eines sechsjährigen Mädchens können wir nicht berücksichtigen. Wenn Ihr über keinen anderen Beweise verfügt, rate ich Euch zu schweigen.«
    Tatsächlich hatte Marie, die Tochter von Juan, ihrem Wächter, beobachtet, wie Bellinois eines Abends die leere Werkstatt betreten hatte.
    Â»Alles, was diese Frau behauptet, ist gelogen«, tobte der Webermeister. »Diese Wandbespannungen haben nie meine Werkstatt verlassen, weder die Galanterien noch die anderen Teile des Ensembles.«
    Â»Sagt das ja nicht noch einmal. Untersteht Euch!«, schrie Alix nun ihrerseits. »Meine Angestellte, Dame Arnaude, wird Euch bestätigen, dass sie den Großteil der Millefleurs gewebt hat, die den Hintergrund des Teppichs bilden. Bei allen anderen Teppichen im Übrigen auch.«
    Â»Dame Arnaude, erhebt Euch und schwört, dass Ihr die Wahrheit sagt.«
    Â»Ich schwöre, Herr Richter, dass ich mehrere Jahre an allen Wandteppichen gearbeitet habe, die zum Ensemble Das höfische Leben gehören, den der Duc d’Amboise Dame Alix ausgehändigt hat.«
    Â»Der Duc d’Amboise hat die Teppiche niemals dieser Frau anvertraut«, bellte Bellinois.
    Â»Nehmt wieder Platz, Dame Arnaude. Gerichtsschreiber, lasst die andere Person vortreten.«
    Etwas zurückhaltender als Arnaude, die mit klarer, deutlicher Stimme gesprochen hatte, erhob sich die junge Angela. Sie wandte den Kopf Alix zu, die sie mit einem Nicken ermutigte.
    Â»Wie heißt Ihr?«
    Â»Angela Le Bellec, verheiratete Le Romain.«
    Â»Schwört Ihr, die Wahrheit zu sagen?«
    Â»Ich schwöre, dass die Wandteppiche einer nach dem anderen in unserem Verkaufskontor gehangen haben, nachdem sie in den Werkstätten der Dame Alix fertiggestellt worden sind.«
    Â»Das stimmt nicht, das ist alles gelogen!«
    Das faltige Gesicht von Bellinois lief rot an, und an dem nervösen Zucken seiner Oberlippe zeigte sich deutlich, dass er sich in keiner guten Verfassung befand. Er wollte jedoch nicht aufgeben.
    Â»Zweifelt Ihr etwa an den Worten eines Webermeisters und glaubt einer einfachen …«
    Â»Ich habe meine Arbeit der Webergilde des Nordens präsentiert, Herr Richter. Ich bin Webermeisterin genau wie Sire Bellinois, mit der offiziellen Erlaubnis der Gilde, mit meinen Werken zu handeln. Außerdem bin ich Mitglied der Weber von Brügge. Ich zahle meinen Beitrag und profitiere, wie es sich gehört, von den Vorteilen, die daraus erwachsen. Ich lasse keinesfalls zu, dass dieser Mann meine Arbeit herabwürdigt. Und habe ich Euch im Übrigen nicht gerade einen Überblick über meine laufenden Arbeiten gegeben, meine Kompetenzen und meine Verbindungen?!«
    Â»Eure Verbindungen! Lasst uns darüber sprechen!«, tobte Bellinois weiter. »Charles d’Amboise war Euer Liebhaber.«
    Im Saal herrschte Schweigen.
    Â»Daraus macht meine Mandantin keinen Hehl«, entgegnete Anwalt Carbonnel. »Sie war damals Witwe.«
    Â»Und zurzeit?«, erkundigte sich der Staatsanwalt in ironischem, schneidendem Tonfall.
    Â»Zurzeit bin ich verheiratet«, antwortete Alix.
    Â»Gebt Ihr dieser Frau, die Liebhaber sammelt wie andere Leute Parfumflakons, etwa recht?«, spottete Bellinois.
    Â»Wir wissen nur von zwei Liebhabern«, korrigierte Maître Carbonnel, der mit den Kommentaren zum Intimleben seiner Mandantin langsam etwas in Schwung kam. Anscheinend fiel es ihm schwer, sie als Weberin zu verteidigen.
    Der Staatsanwalt war im Begriff, etwas zu sagen, doch der Richter schnitt ihm das Wort ab: »Warum ist der Duc d’Amboise nicht gekommen, um Euch zu verteidigen, wenn er Euer Liebhaber war?«
    Â»Er kämpft mit dem französischen König und seiner Armee in Italien, Herr Richter.«
    Darauf erwiderte niemand etwas. Der Richter fuhr fort und wedelte mit einem Dokument in der Luft herum: »Alles an dieser Angelegenheit kann nicht gelogen sein. Uns liegt ein Brief der
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