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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin
Autoren: Jocelyne Godard
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Weberin in der Werkstatt.
    Â»Geht’s?«, fragte Alix besorgt und beugte sich zu ihrer Begleiterin.
    Arnaude nickte kaum merklich mit dem Kopf. Ihr Gesicht mit der faltigen Stirn, den grauen inzwischen etwas wässrigen Augen und den etwas fleischigen Lippen nahm wieder den gewohnt ruhigen Ausdruck an.
    Kurz darauf trieb Leo die Pferde an, sie verließen den Ort des Geschehens und passierten bald die Stadtgrenze.
    Kaum hatte Alix den Saal betreten, in dem ein paar Bänke aufgereiht waren und an dessen Ende im rechten Winkel ein paar Tische standen, entdeckte sie Maître Bellinois. Er saß auf einer der Bänke, drehte blitzartig den Kopf in ihre Richtung und sah sie mit stechendem Blick aus seinen kleinen schwarzen Augen an. In den zehn Jahren hatte er sich kaum verändert: Er war nicht sehr groß, etwas zu mager, hatte ein knochiges Gesicht und die Augen eines Geiers. Genau so, mit diesem arglistigen Blick und dem verkniffenen Zug um den Mund, der wirkte, als würde er ständig boshaft lächeln, hatte sie ihn damals bei Charles d’Amboise auf Château de Chaumont kennengelernt.
    Der Richter, der mit ihrer Angelegenheit betraut war, wurde von einem Staatsanwalt und zwei Anwälten flankiert. Daneben saß ein fuchsäugiger Gerichtsschreiber, der ein Blatt, eine Feder und ein Tintenfass vor sich stehen hatte.
    Â»Dame Alix Cassex«, befahl er in schleppendem Tonfall und richtete seine trüben Augen auf sie, »erheben Sie sich.«
    Alix blickte kurz zu Arnaude und Angela, die etwas abseits Platz genommen hatten. Ihre Gesichter wirkten ganz entspannt. Als sie sah, dass der aufregende Zwischenfall offenbar keine Spuren bei den beiden Frauen hinterlassen hatte, atmete sie erleichtert auf.
    Â»Bitte, verzeiht, Herr Gerichtsschreiber, ich heiße Alix de Cassex«, sagte sie und betonte das Adelsprädikat in ihrem Namen.
    Â»Wie bitte?«, warf der Richter in kühlem Ton ein.
    Alix drehte sich zu ihm um und betrachtete einen Augenblick seine undurchdringliche Miene.
    Â»Ich werde es Euch erklären. Aufgrund der Dienste, die meine Familie dem Königreich seit über einem Jahrhundert erwiesen hat, hat François I. meine Familie in den Adelsstand erhoben.«
    Mit Ausnahme des Gerichtsschreibers musterten die Männer vor ihr sie aufmerksam. Der Staatsanwalt zeigte eine verschlossene Miene und bereitete sich innerlich auf die schonungslose Rede vor, die er bald halten würde.
    Â»Diese Frau ist eine Aufschneiderin«, rief Bellinois.
    Er straffte den Oberkörper und hob herausfordernd das Kinn. Er wirkte wie ein Gockel, der versuchte, sich bei seinen Hennen Respekt zu verschaffen.
    Â»Maître Bellinois«, entgegnete Alix, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, »Euch hat bislang niemand das Wort erteilt. Mich hat der Herr Richter gefragt.«
    Letzterer schlug mit einem kleinen Hammer auf den harten Holztisch und bestätigte klar und deutlich: »Dame Cassex hat recht. Ihr antwortet, wenn Ihr gefragt werdet. Fahrt fort, Madame, womit hat sich Eure Familie eine solche Gunst erworben?«
    Â»Mein Mann, Maître Jacques Cassex, ist während der letzten schrecklichen Pest verstorben. Das ist nun fast zwanzig Jahre her. Mütterlicherseits stammte er von Jean le Flamand ab, der gemeinsam mit dem berühmten Maler Jean de Bruges den gewaltigen Wandteppich Die Apokalypse des heiligen Johannes gefertigt hat.«
    Einmal in Schwung, fuhr sie selbstsicher fort: »Die Großmutter meines Mannes, Clarissa Cassex, war eine hervorragende Weberin aus dem Val de Loire und seine Mutter, Leonore Cassex, Weberin in Flandern.«
    Die Männer des Rechts hörten ihr zu. Maître Bellinois, der ihr gezwungenermaßen ebenfalls sein Ohr leihen musste, obwohl er das alles bereits kannte, kochte innerlich. Alix ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. »Mein Mann und ich haben eine große Arbeit für Louis XII. gefertigt, ein Ensemble von sechs Wandteppichen, deren Hintergrund aus Schlachtendarstellungen sowie Millefleurs besteht.«
    Sie zögerte und fragte sich, ob sie ihren Schwiegervater erwähnen sollte, dieses verabscheuungswürdige Individuum, der sie sein Leben lang hartnäckig abgelehnt und zu vernichten versucht hatte. Sie hielt es jedoch für richtig, seinen Anteil nicht zu verschweigen: »Bei dem Vater und zugleich Meister meines Mannes handelt es sich um Pierre de Coëtivy, der große Werke für den Hof von
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