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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke
Autoren: Michael Moorcock
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Mann hatte nicht die Kraft, Tallow abzuwerfen. Tallow er
reichte den Boden und marschierte wieder in der Hoffnung los, wenigstens das Ufer zu finden, an ihm entlangzugehen und auf die Stelle zu stoßen, an der er sein Boot festgemacht hatte. Die Straßen waren nicht beleuchtet, und die wenigen Leute, die noch unterwegs waren, bemerkten ihn nicht einmal. Er fürchtete sich ein wenig, machte sich aber keine großen Sorgen. Die Dörfler würden sich inzwischen anderem Zeitvertreib zugewandt haben. Schließlich kam er an ein Flußufer, orientierte sich und stapfte weiter, bis er den Landungssteg erreichte. Er war rasch wieder in seinem Boot und versuchte, sich für eine der Gabelungen zu entscheiden.
    Schließlich beschloß er, es der Strömung zu überlassen. Er legte ab und wartete. Bald fuhr er auf dem Wasser dahin, das zur linken Gabelung führte.
    Das Wasser floß rasch und ruhig, fast mit derselben Zielstrebigkeit wie die goldene Barke selbst. Tallow beschloß, den Fluß wieder hinaufzusegeln und die andere Gabel zu nehmen, falls sich herausstellen sollte, daß er nicht die richtige Gabelung gewählt hatte. Er spürte jedoch, daß langsam die Zeit knapp wurde. Das alte Gefühl der Dringlichkeit kehrte zurück, und er hoffte verzweifelt, auf dem richtigen Kurs zu sein.

    Neunzehntes Kapitel

    E s ist das letzte Stück des langen, gewundenen Flusses.
    Des Flusses, der aus unbekannter Quelle hinab in ein
            unbekanntes Meer fließt. Man kann ihn in seinem Lauf nicht verändern. Nur die Ufer verändern sich und die Dinge an den Ufern. Er ist die Quelle des Lebens für die großen und kleinen Städte, für die Dörfer, die sich an den Ufern drängen, und er bringt den Tod. Er bringt Hoffnung und zerstört Träume. Auf ihm fahren Tallow und eine goldene Barke. Wir sehen ihn von oben, sehen all die zahllosen milchigen Meilen. Wir schweben über ihm und sehen nur Tallows Boot. Selbst wir können die Barke im Augenblick nicht sehen.
    Tallow kämpft sich weiter, und das Wasser schießt unheilvoll dahin, gurgelt und schäumt, ergibt ein Geräusch, das alle anderen Geräusche übertönt. Aber über diesem Geräusch des Wassers liegt eine Stille, die von großen, leeren Räumen und einer Ewigkeit des Friedens zeugt. Tallow spürt sie, bleibt aber von dem Zustand des Wassers nicht unberührt, der Unheil ankündigt. Tallow weiß, was das bedrohliche Wasser bedeutet. Er weiß es, kann aber nichts tun. Er ist hilflos, kann nicht gegen etwas kämpfen, von dem er weiß, daß es unausweichlich ist. Das Wasser rauscht immer schneller, bis es ein reißender Strom ist, der das Boot gegen Tallows Willen weitertreibt. Schließlich werden Tallows Befürchtungen Wirklichkeit, und er sieht vor sich dunkle, feuchte Felsen, scharf wie die Zähne eines gähnenden Drachen, von weißem Schaum umgischt. Stromschnellen tauchen vor Tallow auf, gefährliche, tödliche Stromschnellen. Aufgeregt packt der kleine Fahrensmann den Bootshang, welcher der Länge nach im Schiff liegt. Er legt ihn quer über die Seiten und hält das Ruder mit Händen, die vor Anstrengung weiß sind und zittern.
    Immer noch liegt die friedliche Stille über dem kochenden, tosenden Gewässer. Immer noch ist das Gefühl der Einsamkeit, der Schicksalhaftigkeit gegeben. Tallow handelt. Die ersten Felsen rasen an ihm vorüber, und er ist einen Augenblick in Sicherheit. Dann füllt das donnernde Brüllen der Strömung seine Ohren. Er lenkt das Boot erfahren, die rechte Hand am Ruder, mit wunderbarer Geschicklichkeit durch die Stromschnellen, benützt die einzige Fertigkeit, die ihm angeboren ist. Mit der Linken führt er gewandt die Stange und stößt das Boot von den nächsten Felsen fort.
    Es ist vorüber. Die Felsen der Stromschnellen liegen hinter ihm, und er schwitzt, zittert und stöhnt leise. Jetzt weiß er, daß er nicht zurück kann. Die Aussicht ist dahin. Wenn er nicht den richtigen Kurs eingeschlagen hat, ist er verloren. Er kann nicht einmal zu dem zusammengewürfelten Dorf zurück, wo sich der Fluß gabelt. Er ist endlich völlig allein, und niemand kann ihn stören. Er hat das, was er sich gewünscht hat.
    Das Boot fährt stolz über das Wasser hin, tanzt und frohlockt, als hätte es einen eigenen Willen. Es drängt dem Meer entgegen und schaukelt Tallow hin und her, immer schneller, bis Tallow schließlich aufschreit.
    »Zu spät, mein gutes Boot, zu spät, um zurückzukehren! Zu spät, etwas zu wagen, zu spät, um zu zerstören! Jetzt ist es vorbei, was
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