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Die Geliebte des Malers

Die Geliebte des Malers

Titel: Die Geliebte des Malers
Autoren: Nora Roberts
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Antwort, als die Tür zum Atelier aufging.
    »Colin, ich brauche …« Die Frau, die in den Raum rauschte, hielt abrupt mitten im Schritt inne. Ihr Blick wanderte zu Cassidy. Und auf die miteinander verschränkten Händen. »Entschuldige, ich wusste nicht, dass du beschäftigt bist.«
    »Kein Problem, Gail«, erwiderte Colin leichthin. »Du weißt doch, wenn ich ernsthaft arbeite, ist die Tür verschlossen. Das ist Cassidy St. John. Sie wird für mich Modell sitzen. Cassidy, Gail Kingsley, eine sehr talentierte Künstlerin, die zudem The Gallery leitet.«
    Gail Kingsley sah aufsehenerregend aus. Groß und gertenschlank, wurde ihr herzförmiges Gesicht durch einen pfiffigen Kurzhaarschnitt noch betont. Alles an ihr strahlte Energie und Lebendigkeit aus. Ihr leuchtend rotes Haar passte perfekt zu den hellwachen grünen Augen, die vollen Lippen erstrahlten in einem kompromisslosen Scharlachrot. Große goldene Kreolen baumelten in ihren Ohrläppchen. Ihr Kleid bestand aus Bahnen von fließender Seide in verschiedenen Grüntönen, die bei jeder Bewegung ihren Körper umschmeichelten. Gail war eine atemberaubende Erscheinung.
    Jetzt trat sie weiter in den Raum hinein und schien die nervöse Energie mit sich zu bringen. Selbst ihre Bewegungen waren fieberhaft und forsch, fast eckig. Ihr Blick haftete jetzt scharf auf Cassidys Gesicht, und etwas lag in diesen grünen Augen, bei dem Cassidy sich sofort unwohl fühlte. Es war eine eindringliche Musterung, die viel zu weit ging und dennoch absolut unpersönlich blieb.
    »Guter Knochenbau«, lautete Gails Kommentar, an Colin gewandt. »Aber die Farbgebung bei diesem Typ ist eher etwas blass, meinst du nicht auch?«
    Der kühl-abschätzige Ton der anderen Frau ärgerte Cassidy. »Wir können nicht alle rote Haare haben.«
    »Stimmt«, meinte Colin mit einer hochgezogenen Augenbraue und wandte sich zu Gail um. »War’s das? Ich möchte wieder an meine Arbeit zurück.«
    Leute, die einander intim kennen, umgibt eine gewisse Aura, dachte Cassidy bei sich. Es verriet sich in einem Blick, einer Geste, dem Tonfall. Und in dem Moment, als Gail von Cassidy zu Colin blickte, erkannte sie es: Die beiden waren ein Paar. Zumindest waren sie mal eines gewesen.
    Seltsam, dass sie so etwas wie Enttäuschung verspürte. Sie fühlte sich unwohl und versuchte, sich Colins Griff zu entziehen. Ihr vergeblicher Versuch forderte nur ein geistesabwesendes Stirnrunzeln auf seiner Miene heraus.
    »Es geht um das Porträt eines Mädchens. Für das Gemälde sind fünftausend geboten worden, aber Higgin will einem Verkauf erst zustimmen, wenn du deinen Segen dazu gibst. Ich würde das gern heute abschließen.«
    »Von wem stammt das Angebot?«
    »Von Charles Dupres.«
    »Sag Higgin, er soll annehmen. Erstens lässt Dupres nicht mit sich handeln, und zweitens ist er fair. Sonst noch was?« Die knappe Frage war eine eindeutige Entlassung. Cassidy sah das Aufblitzen in Gails Augen.
    »Nichts, was nicht warten kann. Ich werde Higgin anrufen.«
    »Gut, mach das.« Colins Aufmerksamkeit galt schon wieder ganz Cassidy, bevor Gail überhaupt die Tür erreicht hatte. Mit einer tiefen Falte auf der Stirn richtete er ihr Haar und schien überhaupt nicht zufrieden. An seiner Seite vorbei sah Cassidy, wie Gail ihm von der Tür aus einen giftigen Blick über die Schulter zurück zuwarf, bevor sie das Atelier verließ und die Tür energisch hinter sich zuzog.
    Colin trat von Cassidy zurück und ließ seinen Blick von Kopf bis Fuß über sie wandern.
    »Nein, so geht das nicht«, verkündete er unwirsch. »Ganz und gar nicht.«
    Seine Bemerkung verwirrte sie, vor allem jetzt, da sie den Ausdruck in Gails Blick erkannt hatte. Sie sah zu ihm auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Was geht so nicht?«
    »Dieses Zeug, das Sie da anhaben.« Mit einer einzigen knappen Geste der Hand schloss er ihre Bluse, ihre Jeans und ihre Sandalen ein.
    Cassidy sah an sich herunter. »Sie haben nichts davon gesagt, was ich anziehen soll. Und außerdem habe ich noch immer nicht wirklich entschieden, ob ich tatsächlich für Sie Modell sitzen will oder nicht.« Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie das Gefühl hatte, sich für ihren Aufzug verteidigen zu müssen. »Sie hätten sich schon genauer ausdrücken können, anstatt nur eine Adresse auf eine Serviette zu kritzeln und dann zu verschwinden.«
    »Ich stelle mir etwas Weiches, Fließendes vor.« Cassidys Kommentar ignorierte er völlig. »Elfenbein. Weiß wäre zu krass.
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