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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken
Autoren: Megan McFadden
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– Da! Ich glaube das ist das erste Bild von uns beiden. Das ist zu meinem 16. Geburtstag. Da muss Margarethe zwölf gewesen sein. Unglaublich, wie erwachsen sie schon wirkt, nicht?«
    Auf der Schwarzweiß-Aufnahme lächelte unverkennbar Tante Hilde, die dicken Zöpfe zu einer Krone geschlungen. Neben ihr, schon damals kühl und unnahbar, Mutter: die blonden Locken von einem Stirnreif zurückgehalten, die Bluse makellos gebügelt. Ihr zu Füßen ein kleiner Spaniel.
    »Sie hatte einen Hund?«, fragte ich ungläubig.
    »Nicht lange. Ihr Vater brachte ihn ihr von einer Geschäftsreise mit. Aber er war ein kleiner Tunichtgut. Als er eines Tages ihre Pantoffeln zerkaute, brachte sie ihn stillschweigend ins Tierheim und behauptete, sie sei allergisch gegen Tierhaare.« Ich blätterte weiter. Ein Familienausflug: lachende Gesichter, die übermütige Grimassen schnitten. Tante Hilde kicherte: »Schau, das da sind deine Großeltern, und das dicke Paar sind meine Eltern. Meine Mutter und dein Großvater waren Geschwister.«
    Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Neben meinem Großvater wirkten Frau und Tochter kindlich schmal und zerbrechlich. Feen neben einem fröhlichen Wikinger.
    Dann tauchten plötzlich Bilder von einem schlanken, dunklen Mann auf. Meist zusammen mit Mutter – einer lächelnden, jungen Mutter. Eine Aufnahme gefiel mir besonders: Er stand hinter ihr und lächelte über ihre Schulter in die Kamera, sie blickte zu ihm auf, die schlanke Hand auf seinen Arm gelegt. Ein schönes Paar.
    »Dein Vater betete sie an.« Tante Hildes Stimme klang belegt. Sie räusperte sich und fuhr fort: »Als sie heirateten, kam seine ganze Verwandtschaft aus Sizilien. Mit einem Reisebus – stell dir das vor! Nette Leute, aber Margarethe fand sie schrecklich: zu laut, zu anstrengend, zu unbeherrscht. Sie weigerte sich, ihre Flitterwochen dort zu verbringen. Giuseppe war tief verletzt, aber er gab nach.«
    Die nächsten Fotos von den beiden stammten aus der Zeit der ersten Farbfilme. Verblasst und fremdartig zeigten sie bereits eine Familie, ein Baby im Arm der jungen Frau, der Blick der Mutter eher unangenehm berührt als liebevoll.
    Auf dem folgenden Bild hielt der stolze Vater das Kleinkind vorsichtig an den Händen und unterstützte es bei ersten Laufversuchen neben einem Sandkasten. Ich blätterte weiter, aber die restlichen Aufnahmen zeigten ausnahmslos Unbekannte. »Was ist geschehen?«
    Tante Hilde zuckte hilflos die Schultern und schloss energisch das Album. »Ganz genau weiß das keiner. Ich war damals mit meiner eigenen Familie beschäftigt. Es gab so etwas wie einen Skandal, weil Giuseppe ein Verhältnis mit einer stadtbekannten lockeren Dame hatte und irgendwie in die Umstände ihres tödlichen Unfalls verwickelt war. Margarethe verlangte die Scheidung und verschwand von einem Tag auf den anderen spurlos. Wir dachten alle, sie wäre vielleicht ausgewandert, weil sie nicht einmal zum Begräbnis ihrer Eltern kam. Die armen haben bis zuletzt gehofft, ihr Enkelkind noch einmal zu sehen.« Tante Hildes Stimme spiegelte ihre unterschwellige Empörung wider.
    Mich wunderte ihre offensichtliche Ignoranz. Es war Mutters Art gewesen, einmal getroffene Entscheidungen nicht zu revidieren. Für »sentimentalen Quatsch« hatte sie nicht viel übrig gehabt. Wenn sie entschieden hatte, alle alten Verbindungen zu kappen, hatte sie es sicher als endgültig betrachtet.
    Und damit stellte sich die Frage, wieso Tante Hilde und ich uns überhaupt hatten kennen lernen können. »Wie hast du von Mutters Tod erfahren?«
    »Dieser Rechtsanwalt hat mir geschrieben. Wie hieß er noch – Weidenmann oder so ähnlich? Der, bei dem deine Mutter ihr Testament hinterlegt hat. Scheinbar hat sie verfügt, dass ich von ihrem Tod zu informieren bin.«
    Die Sache wurde immer verwirrender. Hatte Mutter doch Gewissensbisse bekommen? Wollte sie mich nicht ganz allein auf mich gestellt zurücklassen? Es wäre eine tröstliche Vorstellung, zu glauben, dass sie diese Verfügung aus einem Gefühl der Fürsorge und Zuneigung für mich heraus getroffen hätte.
    Auf einmal musste ich gegen meinen Willen gähnen. Die emotionale Aufregung forderte ihren Tribut. Ich wollte nur noch in mein Bett, die Decke über den Kopf ziehen und alles hinter mir lassen.
    Tante Hilde strich mir verständnisvoll über die Haare: »Geh zu Bett, Kind. Du siehst total erschöpft aus. Ich finde mich schon zurecht.«
    In den folgenden Stunden träumte ich die bizarrsten Träume, die mich
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