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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Autoren: Frank Tenner
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er auf Englisch um: „Are you looking for a good watch. This is very old, very good watch. Look!” Er nahm mir die Uhr aus der Hand und deutete auf einen der Metallböden. Dort stand A.C.1795 und kaum noch zu erkennen, vom sogenannten Zahn der Zeit angegriffen, die Buchstaben DLV und die Zahl 375. Mir fiel in diesem Augenblick gar nicht ein, dass, sofern es sich um das Herstellungsdatum handeln sollte, A.D. für Anno Domini vor der Jahreszahl hätte stehen müssen. Erst später, Jahre nach diesem Tag, beim gründlichen Studieren jedes Details, stieß ich auf noch viele andere Ungereimtheiten. Damals dachte ich nur daran, diese Uhr in meinen Besitz und auf meinen Schreibtisch zu bekommen.
    „How much?“ fragte ich mit leicht erregter Stimme. Er überlegte nur kurz. “Six-hundred Franc“.
    Er muss mein entgeistertes Gesicht gesehen haben. Ohne mit mir zu feilschen, ging er sofort um hundert Franc vom zunächst verlangten Preis herunter. Er deutete noch einmal vielsagend auf die eingravierten Zahlen. „Very old! Und: „Only 1000 Pieces were produced. This is number 375“. Ich nickte, wirkte aber angesichts der Tatsache, dass wir nur noch dreihundert Franc in den Taschen hatten, wie jemand, der seine Felle hat davon schwimmen sehen und sich nun in sein Schicksal fügt. Handeln und feilschen war mir fremd. Er nickte aufmunternd. „My last offer: Four hundred Franc.”
    Ich spürte sofort - diesmal meinte er es ernst. Er würde um keine Centime mehr von der geforderten Summe nach unten abweichen. Aber um mir zu zeigen, was ich für ein wertvolles und seltenes Stück für diesen, in seinen Augen, Spottpreis erwerben würde, nahm er die Sanduhr vorsichtig in beide Hände, schüttelte sie ein wenig und drehte sie vor meinen Augen. „Big paradoxon“. Ich konnte es nicht glauben, der Sand, sofern es sich überhaupt um diesen Rohstoff handelte (später erfuhr ich, dass man Sanduhren keineswegs immer mit Sand, sondern auch mit zerriebenen Eierschalen oder in der modernen Zeit mit kleinen Plastikkügelchen füllt) rieselte nicht nach unten, sondern vom unteren Konus in den leeren sich nun oben befindenden Teil des Glases. Hätte ich schon eine Kreditkarte besessen, hätte ich sie sofort gezückt, aber soweit war die Wiedervereinigung noch nicht gediehen und es sollte noch einige Jahre vergehen, bis ich ungeachtet meiner jeweiligen Kontosituation doch mit der goldenen American Express Card einen solventen Eindruck bei Verkäufern hinterlassen habe. Damals aber war ich der Verzweiflung nahe, doch - wozu ist man verheiratet? Meine Frau wusste meinen Gesichtsausdruck sehr wohl zu deuten. Und sie war glücklich mit ihrem Babyelefanten. Als ob ihr Englisch so schlecht wäre, dass sie die Summe nicht richtig verstanden hätte, fragte sie mich:
    „Wie viel soll diese alte Uhr kosten?“
    „Vierhundert Franc. Viel zu viel. Ist nicht so wichtig. Ich kaufe mir zu Hause eine andere.“
    „Aber die würde gut zu dem Briefbeschwerer und Tintenfass auf deinem Schreibtisch passen.“
    „Mag sein. Aber einmal abgesehen davon, dass der Preis recht hoch ist, fehlt uns das nötige Kleingeld.“
    „Nein.“ Fast triumphierend zog meine Frau aus einer Nebentasche ihres Portemonnaies einen Hundert DM-Schein heraus. „Tante Magrit hat mir die hundert Mark geschenkt, ich solle mir was Schönes in Paris kaufen. Ich habe nichts Besonderes gesehen. Zumindest nicht in dieser Preislage. Ich kann mir später in einer Berliner Boutique etwas aussuchen. Nimm das Geld und kauf dir die Sanduhr.“ Ich zögerte, obwohl ich genau wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr geben würde. Der Verkäufer hatte unser Gespräch verfolgt und den Inhalt sehr wohl verstanden. Er witterte seine Chance. „No problem. You can pay with German Mark.“
    „Okay.“ Ich gab ihm den Hundert-DM-Schein sowie eine Hundert-Franc-Note. Er tippte kurz auf seinem Taschenrechner herum und gab mir sogar noch einige Franc Wechselgeld heraus. Dann lächelte er freundlich. „Good deal, Monsieur!“ Da hatte er wohl recht, die Frage war nur, für wen dies ein gutes Geschäft gewesen war. Er holte einen Bogen Packpapier aus einer Schublade und wickelte die Sanduhr vorsichtig ein, dann stellte er sie eine Plastiktüte und überreichte mir mein Schicksal. „Have a lot of fun!”
    Davon sollte ich mehr bekommen, als mir lieb war. Ich bedankte mich und mit einem „Good bye“ auf den Lippen verließen meine Frau und ich das Antiquariat. Über die Rückfahrt und die kommenden
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