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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Autoren: Frank Tenner
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dann und bat mich, auszusteigen. Er wartete, bis ich ausgestiegen war, und öffnete dann das Garagentor. Die anderen beiden Männer begleiteten mich zur Eingangstür, es gab keine Klingel, sondern einen, an einem Bügel angeschraubten, bronzenen Löwenkopf, mit dem man an die Tür pochen konnte. Zweimal klopfte einer der beiden Bodyguards kräftig an das Eichenholz.
    Nach wenigen Sekunden öffnete ein Mann die Tür, der als älterer Bruder der drei anderen hätte durchgehen können. Warum er im Haus eine Sonnenbrille trug, wird mir immer ein Geheimnis bleiben. Wie ich im Rückblick bekennen muss, war alles sehr geheimnisvoll, ich möchte sogar behaupten: mysteriös. Mir kamen diese Stunden vor wie ein Traum in einem Traum. Ich wurde in ein großes Gästezimmer geleitet. Alles wirkte gediegen, die Möbel waren bestimmt hundert Jahre alt, aber sehr gepflegt und kaum benutzt. Nur ein großer Ohrensessel schien erst vor Kurzem mit einem dunkelroten Samtstoff bespannt worden zu sein. Mein Begleiter deutete auf den Sessel. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Ich gehorchte und setzte mich in den hart gefederten Sessel, der Bodyguard stellte sich an die Tür. Ich musterte die Porzellanväschen auf einer kleinen Kommode zu meiner Rechten. An der anderen Seite stand ein schwarzer Flügel, der fast ein Drittel des Raumes einnahm. Der Deckel war aufgeklappt, ein echter Blüthner wie ich lesen konnte. Ich fühlte mich zurückversetzt - und dies empfand ich bezogen auf meine Sanduhr und ihre Wirkung, als einen Witz. Allerdings um viele Jahre, ich kam mir vor wie zu Kinderzeiten als ich im Salon meiner Klavierlehrerin auf ihr Erscheinen und meine Übungsstunde wartete. Nicht meine Klavierlehrerin, die schon vor fast zwanzig Jahren diese Welt für immer verlassen hatte, öffnete die Tür, sondern ein sportlicher Mann Ende vierzig, vielleicht Anfang fünfzig. Eine schicke, goldumrandete Designerbrille saß auf seiner etwas zu lang geratenen und etwas gekrümmten Nase, der einzige kleine Makel in einem ansonsten perfekten Gesicht. Sein gut frisiertes schwarzes Haar, der gepflegte Teint, sein maßgeschneiderter dunkelblauer Anzug, in einer Qualität, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, verrieten, dass ihm sein Äußeres nicht gleichgültig war. Wahrscheinlich benötigte er mindestens eine Stunde für die Morgentoilette. Er hatte ein gutes, aber sehr intensiv duftendes Aftershave benutzt. Seine Ausstrahlung konnte man nur mit charismatisch charakterisieren, seine klaren schwarzen Augen blickten schelmisch, vielleicht etwas überheblich. Beim Eintreten hatte er einen Ordner in der Hand, den er auf einer Kommode ablegte. Dann wandte er sich meiner Person zu. Ein freundliches Lächeln kam auf seine wohlgeformten Lippen, als er mich begrüßte. Er redete langsam, mit einer etwas ungewohnten Betonung, obwohl er fließend deutsch sprach, ahnte man doch noch etwas von einem, vermutlich amerikanischen Akzent. Es war ein komisches Gefühl, ich hatte bestimmt noch nie in meinem Leben mit diesem Mann gesprochen, und doch kam er mir bekannt vor, ich musste ihn schon irgendwo, zumindest flüchtig gesehen haben. „Bleiben Sie sitzen. Ich werde auch Platz nehmen. Es lässt sich besser kommunizieren.“ Er setzte sich auf einen großen, dunkelbraunen Bürodrehstuhl, der einzige Gegenstand im Raum, der einen Stilbruch darstellte und wie ein Fremdkörper wirkte. „Es tut mir wirklich leid, wenn wir Ihnen Ungelegenheiten bereiten. Ich weiß, Sie erwarten heute noch Gäste. Aber bis achtzehn Uhr sind Sie sicher wieder in Ihrem Domizil.“ Er gab dem Bodyguard ein Zeichen, dieser verschwand ohne ein Wort aus dem Zimmer. „Würden Sie mir zunächst verraten, mit wem ich die Ehre habe?“
    „Sehr vornehm ausgedrückt, Herr Turner. Das ist ein Niveau, wie ich es mag. Sagen wir, ich bin zurzeit ein besorgter Bürger eines nicht ganz kleinen, befreundeten Landes. Außerdem das, was man Globetrotter zu nennen pflegt. Im Auftrag einflussreicher Kräfte. Nennen Sie mich einfach Will. Will Smith. Wie dieser tolle farbige Schauspieler. Den kennen Sie sicher?“
    Ich hatte mich während der etwas über halbstündigen Autofahrt innerlich beruhigt und war im Geiste verschiedene Szenarien durchgegangen. Ich nickte: „Wenn Sie Will Smith meinen, den mag ich. Sind Sie mit ihm verwandt?“ Mein Gastgeber lächelte wieder. Er schaute auf seine schneeweißen, wohlgeformten Hände mit den langen schlanken Fingern. „Ich denke, das ist eher unwahrscheinlich. Aber ich will
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