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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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oft hatte Oola Tyler gebeten, doch auch seine Haare bürsten zu dürfen, und so eisern hatte dieser das immer abgeschlagen.
    »Was gibt’s?«, fragte er sie. »Ist Gideon schon so weit?«
    Lucinda konnte nur den Kopf schütteln. »Warum machst du so ein Theater darum? Warum hast du es vor Gideon geheim gehalten?«
    »Weil er die meiste Zeit nicht bei Bewusstsein war. Ist doch klar!«
    Bei der Erwähnung von Gideons Namen hatte Grace aufgeschaut, einen leicht besorgten Blick in den sanften Augen. »Kenne ich dich?«, fragte sie Lucinda.
    »Ja.« Es fiel schwer, dieses gebrechliche, blinzelnde Wesen mit der schönen, strahlenden jungen Frau auf den alten Fotos zusammenzubringen. »Ich bin Tylers Schwester. Das ist mein Zimmer hier. Gideon ist unser Großonkel.« Sie wandte sich wieder ihrem Bruder zu. »Wir hätten sie ins Krankenhaus bringen sollen, Tyler. Irgendwas stimmt nicht mit ihr.«
    »Wenn sie Gideon wiedersieht, wird alles wieder gut«, behauptete er stur.
    »Gideon.« Grace’ Sorgenfalten vertieften sich. »Wird er … wird er böse sein? Dass ich wieder da bin?«
    »Na, hör mal!«, sagte Tyler. »Er wird begeistert sein!«
    Lucinda war sich da nicht so sicher: böse, dass sie wieder da war? Was sollte das heißen? Aber bevor sie weitere Fragen stellen konnte, erschien Azinza in der Tür. Die junge Afrikanerin hatte ihr schönstes Gewand angezogen, eine Art Stola in leuchtenden Braun-, Gelb- und Rottönen, die ihre lange, |402| schlanke Gestalt bis zu den Knöcheln umfloss. Sie sah wirklich wie eine Königin aus.
    »Er ist bereit für uns«, verkündete sie. »Kommt runter!«
    Tyler wandte sich an Oola, die noch ein paar letzte Bürstenstriche an Grace’ Haaren vornahm. »Du wartest mit ihr oben an der Treppe. Ich rufe euch, wenn es so weit ist. Klar?«
    Oola nickte angesichts dieser großen Verantwortung mit feierlicher, fast andachtsvoller Miene. Lucinda hatte nichts gegen das Höhlenmädchen, aber sie fand, dass es ihrem Bruder nicht guttun konnte, wenn eine ihm derart fraglos gehorchte. Manchmal benahm sich Oola, als wäre Tyler mit dem erklärten Vorsatz, sie zu retten, in der Eiszeit aufgetaucht und hätte nicht nur einfach eine Tollheit begangen, die er lieber gelassen hätte.
    Sie bereute diesen harten Gedanken schon, als sie die Treppe hinunterging. Klar, wenn er die Tollheit nicht begangen hätte, wäre Oola wahrscheinlich von diesem Bären gefressen worden.
    »Aber mach bitte nichts, was zu dramatisch und peinlich ist«, bat sie Tyler flüsternd, als sie unten ankamen. Die übrigen Farmbewohner betraten in Grüppchen die Eingangsdiele, leise untereinander murmelnd.
    Er schoss einen gereizten Blick auf sie ab. »Du wirst mir noch danken, wenn das alles vorbei ist, wart’s ab. Ein Genie wirst du mich nennen, jawohl.«
    »Wenn du meinst.« Sie war so besorgt, dass sie ihm nicht einmal vorhielt, was für ein Idiot er manchmal war.

    Trotz seiner Größe wäre das Schlangenzimmer auch dann voll gewesen, wenn es nur die ganzen Farmbewohner hätte fassen müssen. Mit Gideons Bett in der Zimmermitte jedoch |403| stand Lucinda mit den anderen Ellbogen an Ellbogen wie in einem überfüllten Zug, und das erinnerte sie daran, wie bald sie und Tyler die Heimreise antreten würden.
    Sowohl Gideon als auch Walkwell saßen aufrecht, und ausnahmsweise einmal fand Lucinda, dass ihr Großonkel in einem Vergleich der beiden besser abschnitt: Simos Walkwell sah ungewohnt blass und schwach aus, während Gideon zwar nicht bei voller Gesundheit war, aber sichtlich gesünder als die ganzen Wochen zuvor. Wie üblich standen seine Haare in widerspenstigen Strähnen ab – Caesars Versuche, sie mit Kamm und Wasser zu zähmen, waren offenbar wieder einmal fehlgeschlagen.
    »Onkel Gideon, wie schön, dich zu sehen«, sagte Lucinda, und sie meinte es ehrlich. Der Ausdruck seiner Augen und seines ganzen Gesichts machte sie ziemlich sicher, dass sie den alten Gideon wiederhatten. »Ich bin froh, dass es dir besser geht.«
    Er nickte und lächelte ihr zu, war aber gerade dabei, Ragnar zuzuhören, der ihm etwas erzählte. Als er sich doch kurz von dem Hünen abwandte, war es nur, um die drei Amigos hereinzuwinken, die mit den Mützen in der Hand schüchtern in der Tür stehen geblieben waren. »Kommt doch bitte herein!«, forderte er sie auf, und dabei war seine Stimme so sanft, dass Lucinda schon befürchtete, sie könnte sich geirrt haben und ihr Großonkel wäre vielleicht immer noch nicht wieder bei sich. Doch da runzelte
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